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Werte und Ordnung?
Einwurf zu einer aktuellen Debatte

„Unter einem vollkommenen Menschen verstehe ich einen, der sich unter vollkommenen Zuständen ausleben kann, einen, der nicht verwundet oder zerbissen oder verkrüppelt oder in ewiger Gefahr ist.“

Oscar Wilde, „Der Sozialismus und die Seele des Menschen“, 1891.

Die „Ereignisse in Köln“ (schon die mystische Formulierung soll dunkle Phantasien mobilisieren) gibt manchem Anlaß zu offener Hetzerei, dümmlich-rassistischem Aktionismus und – anderen – zu ernsthaften Nachfragen.
Die etablierten Politiker von Unionsparteien und SPD überbieten sich darin, schnellere Abschiebung von „kriminellen Ausländern“ zu fordern und zu mahnen, wer hier leben wolle, habe sich an „unsere“ gute, deutsche Werteordnung zu halten.

Was aber ist dieses leuchtende Vorbild?

Ist es die sagenhaft aufgeklärte, besonders Frauen und Kinder wertschätzende Praxis der römisch-katholischen Kirche? Oder die Kultur des Kölner Karnevals, des Oktoberfestes oder auch nur eines durchschnittlichen Abends auf der Reeperbahn?
Gehört zu der viel gepriesenen zivilisatorischen Höhe in deutschen Landen, Asylsuchende über Monate und Jahre in Notunterkünften zu kasernieren und ihnen seitens staatlich Bediensteter mitteilen zu lassen: hier bekommt ihr drei Mahlzeiten, wartet gefälligst, ob ihr eine Aufenthaltsberechtigung bekommt, und haltet die Füße still?
Bricht sich teutonisches Gerechtigkeitsgefühl in der Verdopplung rassistischer Gewalttaten im letzten Jahr Bahn?
Ist die gewinnsüchtige Zerstörung von Arbeitsplätzen durch Privatisierungen, Kürzungen im öffentlichen Dienst, Arbeitsintensivierung, Niedriglohnpolitik Wohltat und der Verlust von Arbeit und Perspektive Schmarotzerei?
Und ist mit „unseren“ Werten alles in Ordnung, wenn zu deren rentabler Durchsetzung die Bundeswehr von Mali bis Afghanistan zum Einsatz kommt, die Rüstungsgeschäfte boomen und diese verheerende Politik als „Verantwortung“ gepriesen wird?

Demütigung, das vermeintliche Recht des Stärkeren, ist ein systemischer Grundzug (neo-)imperialer Politik, nach Innen und nach Außen. Das kann die Züge verzerren und Handlungen verderben.
Vermenschlichend – persönlich wie gesellschaftlich – wirkt nur die soziale und zivile Kultivierung. Jenseits der veröffentlichten Meinung wächst gesellschaftlich die Überzeugung und tätige Bereitschaft, daran mitzuwirken. Auch Forschung, Lehre und Studium können mit dieser egalitären und inklusiven Perspektive dynamisch entwickelt werden.
Eine progressive sozialstaatliche Entwicklung, zivile Politik nach Außen, demokratisierte Wirtschaft und ein möglichst hürdenfreier Zugang zu Bildung, Arbeit, Gesundheit und Kultur für alle entspricht der Höhe des Menschen Möglichen: „Freiheit, Gleichheit, Solidarität.“
Auch bei den universitären Wahlen kommt es darauf an.

V.i.S.d.P.: Golnar Sepehrnia, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 12. Januar 2016, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1325.html