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Kurswechsel

„Wir wollen, dass man die EU-Freizügigkeit nutzt, um in einem anderen europäischen Land erwerbstätig zu sein. Wir wollen nicht, dass man die EU-Freizügigkeit nutzt, um in einem anderen Land, insbesondere in Deutschland, höhere Sozialleistungen zu bekommen.“

Thomas de Maizière (CDU) zum Migrationsbericht 2014, tagesschau.de, 6.1.2015.

„Warnung
Verletze nicht durch kalten Ton
Den Jüngling, welcher dürftig fremd,
Um Hilfe bittend, zu dir kömmt –
Er ist vielleicht ein Göttersohn.
Siehst du ihn wieder einst, sodann
Die Gloria sein Haupt umflammt;
Den strengen Blick, der dich verdammt,
ein Auge nicht ertragen kann.“

Heinrich Heine, Sämtliche Gedichte, 1855.

Thomas de Maizière ist Bundesminister des Inneren und qua Amt für die Bekämpfung von Kriminalität zuständig. Bei der Vorstellung des Migrationsberichtes der Bundesregierung hat er nicht nur zur Kenntnis gegeben, daß die große Zuwanderung in die BRD die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes belege, sondern daß sie auch die Handlungsfähigkeit des Sozialstaats gefährde.

Auch die sozialdemokratischen Koalitionspartner in Berlin halten dies für eine Tatsache. Zum Jahresbeginn erklärte Hamburgs Bürgermeister, „Freizügigkeit bedeutet nicht, dass man sich aussuchen kann, wo man Sozialleistungen erhält“ und forderte, Zuwanderern aus der Europäischen Union erst nach einem Jahr Arbeit einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren.

Mit dieser Meinungsmache werden – brandgefährlich – „ansässige“ und „zugewanderte“ Erwerbsabhängige gegeneinander ausgespielt und der Bezug von Sozialleistungen (eigentlich eine Errungenschaft, die das demokratische Selbstbewußtsein der Bevölkerung durch soziale Sicherung stärken soll) in den Geruch von Kriminalität und Schmarotzerei gebracht.

Dabei liegt es wesentlich näher, etwas dafür zu unternehmen, eine bedarfsgerechte öffentliche Aufgabenerfüllung (Gesundheit, Bildung, Kultur, Arbeit, Soziales, Verkehr) durch die Erhöhung der Steuereinnahmen zu ermöglichen. Das ist nicht nur sinnvoll, sondern auch möglich, wenn man bedenkt, daß den EU-Ländern durch organisierte Steuerflucht von Konzernen jährlich mindestens 50 Milliarden Euro entgehen und allein die reichsten Bundesbürger mit offiziell geschätzten 400 Mrd. Euro privaten Schwarzgeldes im Ausland den Fiskus um 100 Mrd. Euro Steuereinnahmen prellen. Zudem findet eine Mehrheit der Bundesbürger die Bekämpfung dieser „Fluchtbewegung“ wesentlich gerechter und relevanter als die Bekämpfung sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge bzw. Erwerbsloser.

Restriktionen und Strafen gegen die Bevölkerung sollen ein weiteres Mal notwendige finanz- und gesellschaftspolitische Verbesserungen nebst einer konsequenten Bekämpfung der tatsächlichen gewinnsüchtigen Schmarotzerei am Gemeinwesen ersetzen.

Daß sich die regierungsmäßige „Sozialdemokratie“ fortgesetzt vor der unbeschränkten Renditefähigkeit deutscher Kapitalien beugt, ist – das belegen gegenteilige Entwicklungen in Großbritannien oder Portugal – kein Naturgesetz.

Auch in Hamburg wäre ein politischer Richtungswechsel zu sozialer Umverteilung und für kulturelle Entfaltung der Mehrheit, auch für eine bessere Finanzierung von Bildung und Wissenschaft oder eine würdige Integration der Flüchtlinge sinnvoll.

Die verstockte Apologetik etablierter Sozialdemokraten, die von dieser Tendenzwende nichts wissen, sondern sich lieber bei einer destruktiven Herrschaft andienen wollen, bringt nur Beschränkungen für eine menschenwürdige Entwicklung des Gemeinwesens hier und andernorts.

Umso entscheidender ist, die Opposition dazu – gesellschaftlich und parteilich – zu entwickeln.

Wachsende Ansprüche für ein solidarisches, weltoffenes Zusammenleben verstärkt politisch zu artikulieren, verändert die Szene. Verbesserungen brauchen Verbesserer. Alle sind wichtig.

V.i.S.d.P.: Golnar Sepehrnia, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Donnerstag, den 7. Januar 2016, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1323.html