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Immer noch: „Austerity“ (Entbehrung)?
„Nach einer Analyse der OECD wäre das Wachstum in Deutschland zwischen 1990 und 2010 um 4,7 Prozent höher ausgefallen, wenn der Grad der Einkommensungleichheit stabil geblieben wäre, statt zu steigen.
Demnach verringern die wenigen Großverdiener den Wohlstand aller anderen. Ein Topmanager wie Daimler-Chef Dieter Zetsche (Salär 2014: 8,4 Millionen Euro) oder die Quandt-Familie, die für ihre 46,7 Prozent an BMW 2014 eine Ausschüttung in Höhe von 815 Millionen Euro einstrich, werden von solchen Thesen in ein düstereres Licht gerückt. Schädlich für die Entwicklung wären dann nicht mehr nur die ganz unten, sondern auch die ganz oben. [...]
Wird das Unbehagen gegenüber Vermögenden zu groß, führt dies immer zu radikalen Maßnahmen – sogar in den USA. Unter dem Eindruck des Lebensstils der »Goldenen Generation« in den 20er Jahren und der Großen Depression nach 1929 sorgte Franklin Roosevelt 1935 dafür, dass Erbschaften von mehr als 50 Millionen Dollar mit 70 Prozent besteuert wurden. Der US-Präsident befand:
»Ererbte wirtschaftliche Macht ist inkonsistent mit dem Idealen unserer Generation.«
Da hat Deutschland ja noch Spielraum.“ Christoph Neßhöver: Geschlossene Gesellschaft, Manager Magazin, 5. November 2015.
Was selbst das „Manager Magazin“ erstaunlich nüchtern zusammenfaßt, zeigt erheblichen Änderungsbedarf an. Die Konzentration des erarbeiteten Reichtums in den Händen einer winzigen Elite schadet allgemein der Produktivität, der Wohlfahrt, der Bildungsbeteiligung und der Demokratie. Die Banken geben immer weniger Geld heraus, als sie verlangen. Das drückt die meisten und bewirkt globale Zerstörung durch Spekulation, Raubbau und Krieg.
Umgekehrt liegt auf der Hand: Mit einer kräftigen Besteuerung der Reichsten (Vermögensbremse anstelle einer festgeklemmten „Schuldenbremse“) und nachhaltigen ökonomischen Regulierung wären letztlich alle besser dran. Die öffentliche Hand kann dann in Gesundheit, Bildung, Wissenschaft und Künste investieren; Straßen und öffentlicher Dienst müssen nicht lückenhaft sein. Sinnvolle Arbeit und kürzere Arbeitszeiten können erkämpft werden.
Folglich beschränkt sich Demokratie auch nicht darauf, die eigene Stimme „abzugeben“, sondern kann in Politik, Wirtschaft, Hochschulen und andernorts auf sozial verbesserter Grundlage lebendige inhaltliche Verfügung der Mehrheit sein.
„By the way“ verbessert dies die Aussichten, die bereits mehrheitlich gewünschte Beendigung von Kriegseinsätzen, Rüstungsproduktion und -forschung sowie Waffenexporten durch eine zivile Umorientierung in allen gesellschaftlichen Bereichen tatkräftig durchzusetzen.
Weil das alles ebenso vernünftig wie naheliegend ist, bemüht das Establishment hartnäckig Lügen zu seiner Verteidigung: Mit dem Sozialstaat hätten „wir“ über unsere Verhältnisse gelebt anstatt: Banken haben sich auf Kosten des Sozialstaats saniert. Bessere Löhne und Gehälter würden durch individuelle „Tüchtigkeit“ erworben anstatt mit solidarischen Kämpfen durchgesetzt. Die Flüchtlinge schadeten anstelle der Kriege. Und: Die Konkurrenz belebe alles, nicht etwa soziale Sicherung, gegenseitige Wertschätzung und Anregung.
Dieser Betrug an der Vernunft ist lokal und global schiefgegangen. Etwas Neues, Besseres muß verwirklicht werden. Kultivierung, Zivilisierung und Demokratie sind soziale Aufgaben und Rechte der Allgemeinheit. Alle haben Bedeutung. Europaweit und auch in den nordamerikanischen Staaten wächst dafür das politische Engagement „von Unten“.
In Hamburg ist das mit sozialen Aktivitäten für eine bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung aller Bereiche – vom Wohnungsbau bis zu den Theatern und Hochschulen – eng verbunden. Die Unis und darin die Studierendenschaften sind dabei ein relevanter Faktor: Hier kämpfen wir gemeinsam für eine kooperative wissenschaftliche Praxis, solidarisches Lernen, produktive Muße und heiteren Austausch – nicht zuletzt in der Studienreform. Das ist Aufklärung in Aktion! Für Frieden, soziale Entwicklung und nachhaltiges Wirtschaften, für kritische Urteilskraft, Weltoffenheit und kollektive Selbstbestimmung.
Die Wahlen zum Studierendenparlament und zum Akademischen Senat können für Diskussionen und Aktivitäten mit dieser Richtung weiterführend genutzt werden.
„Wir haben versucht, einzusehen, was Demokratie ist: sie ist der menschliche Ausgleich zwischen einem logischen Gegensatz, die Versöhnung von Freiheit und Gleichheit, der individuellen Werte und der Anforderungen der Gesellschaft. Dieser Ausgleich aber ist niemals vollendet und endgültig erreicht, er bleibt eine immer aufs neue zu lösende Aufgabe der Humanität; und wir fühlen, daß heute in der Verbindung von Freiheit und Gleichheit das Schwergewicht sich nach der Seite der Gleichheit und der ökonomischen Gerechtigkeit, vom Individuellen also nach der Seite des Sozialen verlagert.“
Thomas Mann, „Das Problem der Freiheit“, 1939.
Die Kandidierenden
zum Studierendenparlament in der Legislatur 2017/2018