Menü | Home › Publikationen › harte zeiten › Flugblatt von harte zeiten vom
Wer ohne Schuld ist ...
„Unsere Herrn, wer sie auch seien,
sehen unsre Zwietracht gern,
denn solang sie uns entzweien,
bleiben sie doch unsre Herr'n.“
Bertolt Brecht, Solidaritätslied, 1936.
Die griechische Bevölkerung hat die Politik der „Austerität“ abgewählt. Aber die Bundesregierung hält am bisherigen Kurs fest. Sie besteht auf der Einsetzung einer nicht legitimierten Nebenregierung von „Beamten“ des IWF und der EU in Athen. Die soll vollstrecken, was kein vernünftiger Mensch wollen kann: Milliardenkredite, mit denen die europäischen Steuerzahler zur Refinanzierung von Banken herangezogen werden. Dazu: Umfassende Privatisierungen von Land, sozialen Einrichtungen und Betrieben des griechischen Staates, Massenentlassungen sowie der Abbau von Tarif- und Rentensicherheit, Gesundheitssystem, öffentlichen Medien und vielem mehr. Aufklärung und ein solidarischer Aufbruch der Bevölkerung haben bewirkt, daß dieser Kahlschlag in Griechenland nicht zu einem Rechtsrutsch führt, sondern eine linke Regierung Opposition zur Austeritätspolitik der „Troika“ macht.
Ihr Diktat hat bewirkt, daß in Griechenland seit 2010 die Staatsschulden von 130 auf 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen sind. Diese abstrakte „Schuld“ wird der griechischen Bevölkerung angelastet: Die Schulen sind unbeheizt, die offizielle Erwerbslosigkeit beträgt 26% und zigtausende Menschen sind ohne Strom, ausreichende Gesundheitsversorgung oder Ernährung.
Die wirklichen Verursacher der griechischen Krise profitierten: Zum Beispiel die deutschen Energie-, Bau- und Telekommunikationsunternehmen, die griechische Beamte geschmiert haben („Olympia!“) oder die NATO, die über Jahrzehnte den Rüstungswettlauf zwischen Griechenland und Türkei angeheizt hat, die Spekulanten, die gegen Griechenland gewettet haben oder die Beamten und Politiker, die die Verluste der griechischen Banken und ihrer deutschen und französischen Geldgeber „sozialisiert“ haben.
Die „Moral“ der ökonomischen Stärke mißachtet Humanität, Völkerrecht und Demokratie.
Die Wahl in Griechenland ist dagegen die Entscheidung, für die Wiederherstellung von Demokratie und Zivilisation zu kämpfen. Die Griechen setzen dabei auf europäische Solidarität.
Überall wächst in der Bevölkerung Engagement für die Überwindung der strukturellen Ursachen jener Ungleichheit, die der Krise Europas zugrunde liegen. Soziale Bewegungen für die Beendigung der Austeritätspolitik (hierzulande: „Schuldenbremse“) schließt das ebenso ein, wie Aufklärung und öffentlichen Druck für die Rückzahlung des Zwangskredits, den das NS-Besatzungsregime der Griechenland auferlegt hatte und der bis heute nicht abgezahlt ist.
Die griechische Regierung hat ein umfassendes Hilfsprogramm aufgelegt, das die soziale Zerstörung beenden soll: Kostenlose Elektrizität für 300.000 Haushalte ohne Strom, Lebensmittelzuschüsse für 300.000 Menschen, die Subventionierung von Mieten, die Wiedereinführung von Weihnachtsgeld an RentenerInnen sowie die Wiederherstellung von Mindestlohn und Renten, Arzneimittelversorgung für Erwerbslose, die Gewährleistung von kostenloser Mobilität für die Ärmsten und die Minderung von Konsumsteuern sind entscheidende Maßnahmen. Sie dienen dazu, Würde wiederherzustellen und zu weiteren sozialen Kämpfen zu ermutigen. Hierzulande ist öffentlicher Druck vonnöten, damit dieses humanitäre Programm nicht durch Auflagen der „Troika“ blockiert wird.
Darüber hinaus sind Investitionen für industrielle Entwicklung und sozialstaatliche Errungenschaften zur Bekämpfung von Massenerwerbslosigkeit nötig sowie eine europäische Steuerpolitik, die die größten Einkommen und Vermögen belastet und Steuerhinterziehung und -dumping bekämpfen hilft.
Solidarität ist vernünftig.