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"Demokratisches Management"?

In wenigen Tagen wird die Behörde für Wissenschaft und Forschung (BWF) ihren Referentenentwurf zur Novellierung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) veröffentlichen. Dieses Gesetzt regelt vieles, was die Uni ausmacht: ob Studiengebühren erhoben werden dürfen, welche Mitbestimmungsrechte es gibt und wer den Präsidenten wählt. Die Diskussion um die Novellierung hat an der Uni und in der Öffentlichkeit gezeigt, wohin die Reise gehen soll: weniger Demokratie für mehr betriebswirtschaftliche Orientierung.

Um die Diskussion um die Gesetzesnovelle öffentlich zu führen und ein bißchen Einflußmöglichkeiten zu suggerieren, hatte die Senatorin Krista Sager im Januar und Februar zu Workshops geladen, die das sogenannte moderierten Gesetzgebungsverfahren einleiten sollten. Zu den zweihundert TeilnehmerInnen gehörten die Hochschulleitungen Hamburgs, die Dekane, Mitarbeiter der Behörde und der Handelskammer, sowie wirtschaftsnaher Stiftungen - für die Quote ein paar Studis und Gewerkschafter. Demokratie wurde dort als Detailfrage behandelt, Kontroversen von einer eigens eingestellten "mediator gmbh" totmoderiert. Was dabei raus kommt? "Demokratisches Management"!

Klingt super! Demokratie muß irgendwie sein, lernt man schon in Gemeinschaftskunde, Management erst recht, denn schlank, effizient und professionell geführt sollen Unternehmen sein. Das die Uni kein Unternehmen ist - wen stört's? Kann man ja ändern: z.B. in dem man durch Studiengebühren ein KundeDienstleister Verhältnis zwischen Uni und Studis implementiert, durch Sponsoring Bildung und Wissenschaft privatwirtschaftlicher Einflußnahme aussetzt und zur marktgängigen Ware degeneriert und durch Sparmaßnahmen Konkurrenz und sog. Profilbildung als Leitlinien von Wissenschaft durchsetzt. Das braucht man nicht ins Gesetz zu schreiben. Etwas anderes aber schon: Das "Unternehmen Uni" braucht natürlich ein "starkes Management":

Was soll das heißen? Klar ist: bei der Gesetzesnovellierung sollen die "Leitungsebenen" "gestärkt werden". Mehr Macht also für Präsidien und Dekanate (als "kollegiale Leitungsorgane", kurz: "Vorstände"), weniger für die gewählten Gremien. Auch sollen die Hochschulen aus der "staatlichen Gängelung" befreit werden: Weniger Paragraphen ("geringere Regelungsdichte"), mehr Autonomie für die Hochschulen. Mehr Autonomie der Uni (repräsentiert durch ihre "Leitung") bei weniger Einflußnahme der Behörde und der demokratisch gewählten Unigremien. Daß die Behörde immerhin durch gesamt-Hamburgische Parlamentswahlen legitimiert ist, ein Unipräsident aber nicht - na und?

Management statt Demokratie

Nun ist aber schwer durchsetzbar, daß alle demokratischen Beteiligungsrechte
ad hoc aus der Uni verschwinden sollen. Also mögen doch die "Leitungen" demokratische gewählt sein. Aber wer
das Vorschlagsrecht für KandidatInnen hat, ist schon wieder umstritten. Vielleicht ein Aufsichtsrat? Hier gab es keine Einigung bei den Workshops. Man darf also gespannt sein.

"Demokratisches Management" - das ist so wohlklingend wie inhaltsleer. Management ist angesagt und die Demokratie wird man so schnell nicht los. Im Grunde aber widersprechen sich beide Prinzipien. Übrigens sollte es erst lauten "Management statt Demokratie", so wollte es zumindest einer der Sagerschen Workshops, (bei der Zusammensetzung kein Wunder) aber offensichtlich waren einige Teilnehmer über diese klare Formulierung so erschrocken, daß sie relativiert werden mußte. Das mag semantisch möglich sein - in der Realität auf Dauer jedoch nicht.

Demokratisierung durchsetzen!

Damit der geballte Hirnschwobel eines elitären Diskussionszirkels nicht im HmbHG seinen Niederschlag findet, haben linke Studierende (jusos und Liste Links) in Konzil und AS daraufhin
gewirkt, daß ein Ausschuß zur Begleitung
der Novellierung des HmbHGs eingesetzt wurde,
der nun schon viermal getagt hat. Dort gelang es
uns gemeinsam mit der Reformgruppe
Hamburger Hochschullehrer (RHH), einige Forderungen zu formulieren, die die Uni an
die Novelle richten soll: z.B., daß die Verankerung größerer Autonomie der Uni gegenüber der Behörde von einer Demokratisierung der Unigremien (z.B. durch Paritäten und erweiterte Befugnisse) begleitet werden muß und Gremien keinesfalls eingeschränkt oder abgebaut werden dürfen. Oder auch, daß ausgeschlossen sein muß, daß die Unileitung einen Aufsichtsrat nach privatwirtschaftlichem Muster an die Seite gestellt wird. Am Mittwoch sollen diese Empfehlungen nun von Konzil verabschiedet werden.

Doch nicht nur der Erhalt und Ausbau
der inneren Entscheidungsstrukturen ist und
bei der Novellierung des HmbHG ein Anliegen. Vielmehr müssen dort auch restriktive Zugangsbeschränkungen aufgehoben oder verhindert werden. Weiterhin steht eine Reform der Studienbedingungen und -inhalte
im Sinne kritischer Wissenschaft an:

Studiengebühren verbieten!

Gerade im Anschluß an unsere Aktivitäten
gegen Studiengebühren im Bundesweiten Aktionsbündnis gegen Studiengebühren und der Ablehnung des Staatsvertrags zur Einführung
sog. Studienkonten (die Form versteckter Studiengebühren, die die Grüne Wissen
schaftssenatorin favorisiert), muß endlich ein prinzipielles Studiengebührenverbot im HmbHG verankert sein.

Zwangsberatung abschaffen!

Abgeschafft werden muß die Zwangsberatung, mit der seit fast drei Jahren Studierende nach überschreiten ihrer Regelstudienzeit zur Rechtfertigung gedrängt und bei Nichterscheinen exmatrikuliert werden. Diese Zwangsmaßnahme nämlich geht vollkommen vorbei an den tatsächlichen Problemen der Studierenden - zum Beispiel, daß sie nicht so intensiv studieren können wie sie es wollen, weil sie Arbeiten müssen - und bindet Sprechzeiten, die sowieso meist viel zu knapp sind.

Studium reformieren!

Nahezu alle Studiengänge müssen dringend
reformiert werden - und zwar inhaltlich und
nicht durch modische und gefährliche Augenwischerei namens Bachelor und Master. Statt sich darauf
zu beschränken, einen Niedrigbildungssektor
zu schaffen, sollten Studieninhalte reale gesellschaftlichen Problemen angehen: durch interdisziplinäres Studium statt starrer Fächergrenzen, Projektphasen zur Überprüfung der Theorie an der Praxis
und umgekehrt, größere Freiräume, um individu
ellen Interessensgebieten nachgehen zu können,
daß wäre ein Studium der Zukunft und es muß
allen ermöglicht werden - nicht nur einer
zahlungskräftigen Elite, wie beim International Center of Graduate Studies oder dem Aufbaustudiengang Europawissenschaften.

In Konzil und dem dort gewählten Akademischen Senat wirken wir darauf hin, daß diese Forderungen durchsetzbar werden. Unterstützt uns: wählt und werdet selbst aktiv!

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 21. Juni 2000, http://www.harte--zeiten.de/artikel_128.html