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76 Jahre Reichspogromnacht: Erinnern heißt Lehren ziehen
„Für jeden Menschen kommt es darauf an, daß er sich als ein freies Wesen in seiner Gemeinschaft bewegen kann. Dies ist eine Lehre, die die Schlußakte von Helsinki aus den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges gezogen hat. Für jede Gesellschaft kommt es darauf an, daß in ihr soziale Gerechtigkeit verwirklicht wird, weil nur so der innere Friede gewahrt werden kann. Für uns alle ist der dringendste Wunsch und die wichtigste Zielsetzung unserer Arbeit, den Frieden im Großen zu gewährleisten [...].“
Peter Fischer-Appelt, Vierzig Jahre danach. Ansprache vor der Studentenschaft auf der Veranstaltung des AStA der Universität Hamburg zum 40jährigenGedenken an den 8. Mai 1945 am 8. Mai 1985.
Am 9.11.1938 wurde in unmittelbarer Nähe zur Universität die Synagoge am damaligen Bornplatz (heute: Joseph-Carlebach-Platz) geschändet. Das „reichsweit“ organisierte Pogrom war der Übergang der faschistischen Diktatur in den offenen, räuberischen Krieg und in die systematische Vernichtung großer Teile der europäischen Juden und der weiteren europäischen Bevölkerung. Vorausgegangen waren Terror und Entrechtung gegen bürgerliche Humanisten, Linke, Juden und andere vermeintlich „fremdrassige“ und „minderwertige“ Menschen - auch an der Universität.
Der Antisemitismus der Faschisten baute auf einem jahrhundertealten Nährboden von antijudaistischen und antisemitischen Ideologien und Praktiken auf und war der rassistische Vorwand zum Raub jüdischen Eigentums, zum Angriff auf humanistische Kulturtraditionen und diente den Nazis in der tiefen Krise dazu, eine einfache „Lösung“ für diese vorzutäuschen. Mit der ideologischen Herabsetzung einer Bevölkerungsgruppe wurde der Weg zu Mord und Zerstörung geebnet, was 60 Millionen Menschen im Zweiten Weltkrieg das Leben kostete. Das völlige Aufgehen-Sollen der Menschen in der deutschen „Volksgemeinschaft“ mit ihrer aggressiven und feindseligen Ideologie sollte auch ganz funktional dazu führen, soziale Konflikte zu harmonisieren, zu verdecken und somit zu verfestigen.
Auch heute noch wird zur Legitimation sozialer Ungleichheit versucht, Menschen als „minderwertig“ und „Sozialschmarotzer“ zu stigmatisieren - einen Sündenbock präsentierend - um von den unmittelbaren Zusammenhang der Folgen einer gescheiterten neoliberalen Politik, die durch Vereinzelung die gesellschaftliche Rohheit fördert und damit sozialdarwinistischem Gedankengut Vorschub leistet, abzulenken.
Die Verneinung dieser Gewalt und Ungleichheit ist die Bejahung des Menschen und des gemeinsamen Strebens nach einer kooperativen Entwicklung der Welt. Die Befreiung von dieser Geißel gelang einzig durch die Grenzen überschreitende Verständigung aller Nazi-GegnerInnen, durch Tatendrang, Aufklärung und Solidarität. So verständigte sich die Antihitlerkoalition in Jalta und später in Potsdam über die Denazifizierung, Demilitarisierung und Demokratisierung des befreiten Deutschland. Auch die „Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaftskraft“ war im Potsdamer Abkommen wesentlicher Bestandteil dessen. In der UNO-Menschenrechts-Charta von 1948 sind diese mit den universellen Ansprüchen formuliert, in internationale Kooperation Bedingungen zu schaffen, in denen alle Menschen frei von Not und Furcht, in Würde und Demokratie leben und alle zum Gedeihen einer friedlichen Welt beitragen können. So sind mit der Befreiung vom deutschen Faschismus, die sich im Mai nächsten Jahres zum 70. Mal jährt, gesellschaftliche Ansprüche an eine friedliche, soziale und demokratische Entwicklung verbunden.
Die Verfasste Studierendenschaft der Universität Hamburg erkennt aus ihrer Geschichte die Aufgabe, durch couragierte Aufklärung, mit dem Engagement für Bildung für Alle, durch kritische Wissenschaften und als Teil internationalistischer studentischer Bewegung für soziale Bedingungen zu wirken, die Krieg und Elend aus dem menschlichen Leben bannen und gleiche Rechte für alle Menschen verwirklichen helfen.