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Von Konkurrenz, Repression und starken Führern

Warum das neue Hamburgische Hochschulgesetz nicht beschlossen werden darf
Ergebnis des neuen HmbHG: Studierende in der Zange!

Der Referentenentwurf zur Neufassung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) ist seit Ende Juli veröffentlicht. Das Gesetz soll die totale Durchdringung von Forschung, Lehre und Verwaltung an Hamburger Hochschulen mit den Prinzipien von Konkurrenz, Dienstleistung und Management ermöglichen. Die permanente Anpaßbarkeit der Hochschulen an die Erfordernisse der Marktwirtschaft ist das Ziel. Das größte Hindernis - die demokratische Beteiligung der Hochschulmitglieder an der inhaltlichen Gestaltung von 'Universität' - muß dafür aus dem Weg geräumt werden.

Vom Leistungswahn um den Verstand gebracht

Die Hochschulen sollen zu just-in-time Wissens- und Humanressource-Lieferanten der Wirtschaft werden. Laut Auskunft der Behörde sollen die Bedingungen der Hamburger Hochschulen, im "internationalen Wett-bewerb" bestehen zu können, verbessert werden. Dafür soll endgültig Konkurrenz statt Kooperation zur Triebfeder wissenschaftlichen Arbeitens werden. Mit Dauer-Evaluationen der
universitären Bereiche (Forschung, Lehre, Verwaltung) nach nebulösen Leistungskriterien,
die als Grundlage der Mittelzuweisung dienen
sollen, wird die Konkurrenz zwischen Lehrenden, Arbeitsbereichen oder Fachbereichen
weiterhin verschärft. "Profs auf Probe" und Deregulierungen im Dienstrecht steigern dabei den Druck.

Uni als Konformisten-Schmiede

Der Druck auf die Studierenden wird ebenfalls erhöht: Entgegen der stolzen Bekundung, das neue Gesetz schlösse Studiengebühren aus, öffnet es ihnen Tür und Tor. Es ermöglicht die Einführung des Studienkontenmodells, also des Gebührenmodells, das am perfidesten durch Bestrafung von umfangreichen Studien und Belohnung des schnellen Oberflächenstudiums die inhaltliche Zurichtung des Studienverhaltens auf schnelle Berufsausbildung statt umfassender individueller Qualifizierung befördert. Für Aufbaustudiengänge sollen Gebühren der Regelfall werden, auch Gebühren für Bibliotheksnutzung oder Verwaltungsleistungen sind nicht ausgeschlossen. Anderes Beispiel: Die angeblich abgeschaffte Zwangsberatung und -exmatrikulation wird ersetzt durch eine Regelung, die es den Hochschulen ermöglicht, Studierende leichter rauszuschmeißen. Zum Beispiel dann, wenn sie im Grundstudium nicht an einer Studienberatung teilgenommen haben, die in der Prüfungsordnung verankert ist. Während die Freiheit der Studierenden und die inhaltliche Vielfalt des Studiums nicht mehr ausdrückliche Anforderungen des Gesetzes sind, wird der Kanon der Restriktionen durch Dauerprüfungen, höhere Zulassungshürden (z.B. durch Aufnahmetests) und Zwangsbenotung vergrößert.

Studentische Interessenvertretung als Gnadenakt
Dagegen könnten sich die Studierende ja organisiert wehren wollen! Zu allererst müßten sie sich aber gegen die Abwicklung der studentischen Interessenvertretung wehren. Zwar hat die BWF
verlauten lassen, die Rechte der Verfaßten Studierendenschaft (VS) stärken zu
wollen. Das Gegenteil ist der Fall. Für verzichtbar
hält die Senatorin Fachschaften, die bisher gegenüber dem Studierendenparlament und dem AStA
verbürgte Rechte hatten. Jetzt soll ihre Einrichtung und Erhaltung in das Belieben der
uniweiten studentischen Gremien (mit bekanntlich wechselnden Mehrheiten) gestellt
werden. Aber auch diese Gremien werden in
ihrer weitgehenden Unabhängigkeit von
der Hochschulleitung eingeschränkt: Nicht mehr
ein Wirtschaftsrat mit einer studentischen Mehrheit soll den Haushalt der VS kontrollieren,
sondern - ganz im Sinne der Wiedereinführung
des Führungsprinzips - der Präsident. Das ist
natürlich prinzipiell abzulehnen - immerhin
geht es um die Kontrolle ausschließlich studentischer Gelder.

... c'est moi?

Vom Leitbild einer sozial durchlässigen, demokratischen, gesellschaftlich verantwortlichen Massenuniversität ist nichts in den HmbHG-Entwurf eingeflossen.
So soll die vorgeblich größere Eigenständigkeit
der Hochschulen (Autonomie) durch
weniger Vorgaben der BWF in Wirklichkeit
eine Eigenmächtigkeit von Hochschulleitungen
werden. Die neuen "Gestaltungsspielräume
der Hochschulen" sollen darin liegen, daß sie ihre
interne Organisation (von Gremienstruktur bis
zu Berufungsverfahren und Prüfungsordnungen)
nun über Grundordnungen regeln sollen und
die Rahmenvorgaben der Behörde und
deren Eingriffsmöglichkeiten auf ein Minimum
reduziert werden. Eines allerdings steht um so
ausdrücklicher im Gesetz: Es darf nicht demokratisch zugehen, sonst leidet das Management.
Die bisher fest im Gesetz verankerten Beteiligungsrechte aller Hochschulmitglieder auf allen Ebenen der Uni (vom Institut
bis zum Akademischen Senat) verschwinden.
Etwaige Nachfolgegremien sollen sich - verbindlich - um vieles nicht mehr kümmern dürfen. Sie
sind gegenüber ihren jeweiligen "Leitungen" (Dekanate oder Präsidium) nicht mehr souverän.
Der Präsident hat das letzte Wort bei Prüfungsordnungen und Berufungen. Auch hat
der Präsident das alleinige Vorschlagsrecht für
die Vizepräsidenten. Die Entscheidung über Mittelvergabe, Forschungsbereiche und Studienreformen muß laut diesem Entwurf nicht
mehr unter Beteiligung aller Statusgruppen getroffen werden... Wer ist die Universität?

Grüne Senatorin mit der Axt im Walde

Der Erarbeitung dieses Gesetzesentwurf ging
ein monatelanger Prozeß der Meinungsbildung
voran, in den die Senatorin in einem sog. moderierten Verfahren Interessenvertreter aus den
verschiedenen Hochschulen, Gewerkschaften und
nicht zuletzt auch Wirtschaftslobbyisten, einband.
Die so vermittelte "Offenheit" und "Transparenz"
darf aber getrost als schlechter Witz bezeichnet
werden: Sowohl bei den von der Behörde veranstalteten Diskussionsforen als auch in Beschlüssen der universitären Gremien wurden massive Vorbehalte gegen die Generallinie der Entdemokratisierung und Marktzurichtung
von Bildung und Wissenschaft formuliert. Statt
dessen forderte man v.a. aus der Universität
mehr Mitbestimmungsrechte für alle Hochschulmitglieder, Förderung kritischer Wissenschaftsinhalte, Gebührenfreiheit des Studiums, Stärkung der Studierendenschaft (politisches Mandat).

Wat nu?

Mehr Autonomie und Transparenz bei gleichzeitiger Durchsetzung eines autoritären Leitungsprinzips wird Wissenschaftssenatorin Krista Sager niemandem länger als Demokratisierung verkaufen können.
Wir meinen, daß bei diesem HmbHG-Entwurf
nicht an Einzelfragen herumkuriert werden kann. Er ist insgesamt abzulehnen, weil er die Hochschulmitglieder zu Zaungästen im eigenen Haus machen soll. Krista Sagers "Hochschulreform" muß vom Tisch! In Kooperation mit Personalräten und fortschrittlichen ProfessorInnen bereiten wir eine kritische Stellungnahme der Universität vor und erarbeiten Alternativen: Für die Öffnung der Hochschulen zu den Anforderungen der gesamten Gesellschaft (und nicht der Wirtschaft) und für eine tatsächliche Verfügungserweiterung der Hochschulmitglieder eintreten.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Donnerstag, den 31. August 2000, http://www.harte--zeiten.de/artikel_125.html