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Fortschritt und Menschenwürde
„Das, was vor Italien geschehen ist, hat alle, auch mich, sehr berührt und bedrückt. Man muss wissen, dass Hamburg die fortschrittlichste Flüchtlingspolitik Deutschlands betreibt. (...) Wir sorgen dafür, dass Kinder aus Familien, die kein Asyl bekommen haben, nicht abgeschoben werden, sondern eine Perspektive bei uns bekommen - wenn sie zum Beispiel gerade einen guten Schulabschluss gemacht haben.“
Olaf Scholz im Interview mit Welt am Sonntag, 22.12.2013.
Die Worte des Ersten Bürgermeisters fordern zum Widerspruch heraus: Wäre es nicht logischerweise „am fortschrittlichsten“, alle Kinder und Jugendlichen abzuschieben, die keine guten Schulnoten haben?
Der schnöde Technokratismus mit dem hier Lebensperspektive an sogenannte „Leistung“ (auch noch willkürliche Noten) geknüpft wird, folgt dem neoliberalen „Survival of the fittest“. Es ist die Forderung der Herrschenden nach Anpassung an Rendite und Konjunktur. Sie hat alltäglich negative Bedeutung, durch Konkurrenz, Mobbing, Leistungsdruck und Ellbogenunkultur.
Das ist nicht „fortschrittlich“, sondern die Krise selbst.
Deshalb formiert sich dagegen dynamisch gesellschaftlicher Unmut mit weiter Perspektive. In Hamburg kommt dies in den dezidierten Forderungen und Aktivitäten sozialer Bewegung zum Ausdruck, zum Beispiel in den Protesten gegen Immobilienspekulationen, Mietsteigerung und Stadtmarketing für eine 100%-soziale Wohnraum- und Stadtentwicklung sowie gegen die antihumanistische Flüchtlingspolitik für ein Bleiberecht für alle.
Solidarität überwindet die Konkurrenz.
Mit dieser Orientierung öffnete auch die kritische Studierendenschaft durch die solidarische Abschaffung der Studiengebühren (bundesweit!) für alle einen Weg zu echten Verbesserungen. Dieses Engagement wird nun in der Studienreform, beim Kampf für Hochschul-Demokratisierung und in der öffentlichen Auseinandersetzung um die gesellschaftliche Bedeutung der Hochschulen bzw. ihrer auskömmlichen Finanzierung weitergeführt.
Dabei hat die Überwindung des BA/MA-Systems zentrale Bedeutung, denn es verschärft Konkurrenz, Leistungsdruck und Isolation und drängt zu stumpfem Auswendiglernen „just-in-time“. Es ist auch längst gescheitert, weil Bildung und Wissenschaft gänzlich andere Zielsetzungen und Strukturen erfordern, damit sich alle mit real existierenden Problemen und Erkenntnisanliegen zur Entwicklung von Persönlichkeit und Gesellschaft auseinandersetzen können.
Was all dies verbindet, ist wirklich Fortschritt: Die Entwicklung von Gesellschaft verändernder Kritik, mündiger Persönlichkeiten, sozialer und wissenschaftlicher Zusammenarbeit und couragierter Solidarität - für die Würde aller Menschen, für allgemeine Wohlfahrt und zivile internationale Beziehungen. Das ist klug, kooperativ und dynamisch für das Leben.
Dem sollten sich AStA und Studierendenparlament künftig im Bündnis mit anderen gesellschaftlichen Akteuren selbstbewußt widmen können.