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Pack mit Umgangsformen

Studentenverbindungen geben sich harmloser als sie sind
Keine harmlose Folklore ...

Wer gegen rechte Gewalt vorgehen will, der darf die "gutbürgerlichen" Erscheinungsformen rechten Gedankengutes nicht ignorieren. Mit schnarrender Höflichkeit ("Säär woll, mein Häär!"), adretten Spießeroutfits, Einladungen zu Freibier und vermeintlich günstigem Wohnen in Verbindungshäusern versuchen sie jedes Semester neu mit einsamen Herzen warm zu werden. An Hochschulen sind die "Corps", "Burschenschaften", "Landsmannschaften", kurz: die Studentenverbindungen der Ort, an dem sich traditionell ein militaristischer, fremdenfeindlicher, antisemitischer und elitärer Klüngel umtut. Gewiß: Keine Glatzen, keine Baseballschläger, in der Regel wird man von ihnen keine rassistischen Witze zu hören bekommen.

Willkommen im Sumpf

Aber: Man wendet sich an "Deutsche Jungakademiker", setzt die Ableistung des Wehrdienstes voraus, nimmt sowieso nur Männer auf, hält auf "Elite" und "Bewährung als Waffenstudent?, verteidigt die sogenannte Ehre "unserer tapferen Soldaten" im 2. Weltkrieg gegen alle geschichtlichen Fakten. Typisch, werden sich aufrichtig empörte Verbindunsstudenten erregen - wie die Linken immer alles in einen Topf werfen.

Richtig ist, daß wir uns sparen, säuberlich auseinander zu sortieren, was in einem Topf ist. Nicht in allen Verbindungen wird gefochten, einige nehmen Kriegsdienstverweigerer oder sogar Ausländer auf, viele sind irgendwie nicht glücklich mit der in der "Deutschen Burschenschaft" vertretenen Position, Österreich gehöre ebenso zu Deutschland wie Hessen. Nur haben diese Unterschiede nach dem Selbstverständnis aller Verbindungen offenbar keine besonders große Bedeutung.

In den Dachverbänden der Verbindungen mußte bisher jeder Versuch einer glaubwürdigen Distanzierung vom rechten Rand scheitern. Die Abgrenzung vom offenen Rechtsextremismus fällt aus, weil alle Verbindungen prinzipiell auf einem anti-egalitären Konsens beruhen - es versteht sich von selbst, daß man das Recht hat, bestimmten Gruppen mindere Rechte zuzugestehen, sie auszugrenzen - wie die Aufnahmekriterien zeigen. Vorrang hat im übrigen die auserwählte Gemeinschaft der Korporierten. Die Kumpanei nennt sich "Toleranz" - Toleranz für Elitendünkel und Nationalismus von deutsch-national bis offen faschistisch Dagegen sind Verbindungen gar nicht tolerant, wenn es gilt die Interessenvertretung der Studierenden ("Gleichmacherei", "Geldverschwendung") zu behindern, gern auch mal indem man ASten mit Prozessen überzieht.

Führungskräfte?

Sich selbst begreifen Verbindungen als die eigentlichen Stätten der Persönlichkeitsbildung, die von der dumpfen "Masse" (als solche gelten im Weltbild der Verbindungen alle Normalstudenten) abheben soll. Hier wird das absonderliche Menschenbild von Verbindungen besonders deutlich: Eine "Elite", die sich freiwillig in die Hosen pisst, weil bei den rituellen Besäufnissen ("Kneipe") das Austreten zur Benutzung von Toiletten zwecks Stärkung der Disziplin verboten ist. Oder das sektenmäßige Angebot: "Wir vernichten in Ihnen alle körperlichen und psychologischen Ängste" (O-Ton). Es geht um die berühmt-berüchtigte "Mensur" - also das Fechten, bei dem als Aufnahmeritual "Mannesmut" bewiesen werden soll. In die Hosen pissen und die Bereitschaft, sich das Gesicht mit Säbel-Narben zu versauen - das also halten erwachsene Männer für den Nachweis wahrer akademischer Gemeinschaft. Nun könnte man meinen: Was solls, das gehört wohl zur Uni-Folklore wie überfüllte Seminare und versiffte Klos.

Ganz so einfach ist es aber nicht. Denn die "Alten Herren", also die fertig studierten Verbindungsmitglieder haben überproportionalen Einfluß in Wirtschaft und Politik. Hier wirkt die Devise: "Können ist gut, Kennen ist besser". Bei der Besetzung gehobener Posi-tionen ist oft genug nicht fachliche Qualifikation, sondern die Bereitschaft, sich den reaktionären Spielregeln zu unterwerfen, entscheidend. Die Hamburger Burschenschaft Germania spricht offen von "massiver Protektion", die nach der "Bewährung" wartet. Andere Verbindungen pflegen eine akademischere Ausdrucksweise als die ausgewiesen rechtsradikale "Germania" und reden lieber von "Alten Herren, die mit Rat und Tat helfen". Gemeint ist allerdings dasselbe, die Verteilung von Posten und Pfründen an ausgewählte Insider. Das ist wesentlicher Grund für den Einfluß von Verbindungen und wurde schon vor hundert Jahren von Demokraten kritisiert.

Toleranz gegen Verbindung ist also ganz und gar unangebracht. Das können Burschenschafter oft gar nicht einsehen. Auf den Web-Sites einiger Verbindungen scheint derzeit so etwas wie der Wettbewerb "Miss-Verfolgte-Unschuld 2000" stattzufinden. So schildert ein Nachwuchspoet von der "Mecklenburgia", nie, nie habe man in Verbindungshäusern frauenfeindliche Sprüche gehört und ganz ganz gemein sei das Ammenmärchen von sich bis zur Besinnungslosigkeit besaufenden Burschen. Die rechtsradikale Germania hat jüngst beweint, die "Kampagnen gegen Rechts" würden ja unfairerweise "konservative bzw./und elitäre Traditionsvereinigungen in den Dreck ziehen". Wozu man wissen muß, daß es die Germania witzig findet, auf ihrer Homepage mit Nazi-Bildchen zu werben, über den Hamburger Bürgermeister Ortwin Runde zu schreiben, er sähe aus wie ein Pole oder ein besoffener Burschenschafter(!), und die für das wesentliche am 2. Weltkrieg die tapfere Wehrmacht und den "Luftterror" der Alliierten hält. Wie es möglich sein soll, einen solchen Haufen "in den Dreck zu ziehen", verstehen wer will. Andere Burschenschaften leugnen ihre historische Schuld und versuchen sich in "NS-verfolgt" umzulügen.

Sie waschen ihre Säbel in Unschuld - Verbindungen und Faschismus

...die Burschenschaften, ihrer reaktionären Tradition verpflichtet.

Gern betonen Verbindungen, sie seien im 3. Reich verfolgt worden. Das ist schlicht falsch. Richtig ist, daß in den 30er Jahren eine Gleichschaltung aller Studenten in der sog. "NS-Studentenschaft" staatlich durchgesetzt wurde und Verbindung nicht mehr eigenständig auftreten durften. Nichtsdestotrotz blieb man weiter organisiert, insbesondere wurde das Vermögen der Verbindungen nicht angetastet. Zwar hielten viele Verbindungen in ihrer überkommenen Adels-Fixiertheit die NSDAP tatsächlich für zu pöbelhaft, doch in für die deutsche Geschichte entscheidenden Punkten bestand Einverständnis:

So waren Verbindungsstudenten von Anfang an entscheidend am militanten Kampf gegen die Weimarer Republik beteiligt - etwa in den faschistischen Freikorps beim Kapp-Putsch 1920. Auch war Antisemitismus für die "Deutsche Burschenschaft" selbstverständlich bevor die Nazis ihn in Staat und Gesellschaft durchsetzten. Bereits seit 1893 war der Nachweis "deutscher" - gemeint war: nicht jüdischer -Herkunft zwingende Aufnahmevoraussetzung.

Schließlich sei auf eine Hamburger Begebenheit hingewiesen. Im April 1933 organisierten Studentenverbindungen eine Bücherverbrennung am Kaiser-Friedrich-Ufer in Eimsbüttel.

Dort erinnert heute ein Denkmal an den Akt der Barbarei, bei dem demokatische, liberale, sozialistische und anarchistische Literatur der Vernichtung anheim gegeben wurde. Beteiligt, wie gesagt, die Vorgänger von Verbindungsstudenten, die heute gerne ein sogenanntes ?Toleranzprinzip? für sich reklamieren. Und damit vor allem meinen, man solle sie hübsch unbehelligt machen lassen.
Die Geschichte hat gezeigt wohin es führt, wenn man die Vertreter von Nationalismus und Rassismus, agressive Gegner der Gleicheit aller Menschen, Verfechter militärischer Gewalt ungestört machen läßt. Wir setzen uns in den Gremien der Hochschule dafür ein, daß unsere Universität, die sich auf den antifaschistischen Wiederstand der Weißen Rose beruft, ihre Verantwortung wahrnimmt, zu sagen: Wehret den Anfängen! Das heißt konkret: Aufklärung über Verbindungen, keine Einräumung von Werbemöglichkeiten in Uni-Publikationen oder bei Erstsemesterbegrüßungen. Nie wieder Toleranz für die Ideologen des deutschen Herrenmenschentums. Kein Platz für Reaktionäre und Faschisten an dieser Universität!

Literaturtip:

A. Beyer/J. Knigge/ L. Koch/ u.a.:
"...und er muß deutsch sein...", Geschichte und Gegenwart der studentischen Verbindungen in Hamburg, Hamburg: VSA- Verlag 2000.

L. Elm/D. Heither/ G. Schäfer (Hg.):
Füxe, Burschen Alte Herren, Studentische Korporationen vom Wartburgfest bis heute, Köln: PapyRossi 1992.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Samstag, den 7. Oktober 2000, http://www.harte--zeiten.de/artikel_123.html