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Gauck: Beredt - Revisionistisch - Deutsch?

„Das vereinigte Deutschland, es ist heute wirtschaftlich stark, es ist weltweit geachtet und gefordert. [...] So wie wir heute davon profitieren, dass wir vor einem Jahrzehnt zu Reformen uns durchgerungen haben, so kann es uns übermorgen nützen, wenn wir morgen - meine Damen und Herren Abgeordnete! - wiederum Mut zu weitsichtigen Reformen aufbringen. [...] Diese Stärke - meine Damen und Herren - ist es auch, die wir für eine weitere Herausforderung unserer Zeit brauchen: die europäische Integration. [...] Zudem tauchen in Ländern, denen die Rezession vieles abverlangt, alte Zerrbilder eines dominanten Deutschland auf. [...] Was ist nun die Aufgabe Deutschlands in Europa und in der Welt? [...] Die Bundeswehr hilft, in Afghanistan und im Kosovo den Frieden zu sichern. [...] Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, wir könnten verschont bleiben von den politischen und ökonomischen, den ökologischen und militärischen Konflikten, wenn wir uns an deren Lösung nicht beteiligen. [...] Wir, zusammen einzigartig, schauen uns an diesem Festtag um. Wir sehen, was uns in schwierigen Zeiten gelungen ist. [...] Und eine Verheißung kann uns zur Gewissheit werden: Wir müssen glauben, was wir konnten. Dann werden wir können, woran wir glauben.“

Joachim Gauck (Bundespräsident), „Die Freiheit in der Freiheit gestalten“, Rede zum „Tag der Deutschen Einheit“, 3.10.2013.

„Das Interesse braucht ideologischen Schmuck, die Machtpolitik kleidet sich in Messianismus, und was man Propaganda nennt, hat nirgends viel mit Wahrheit zu tun.“

Thomas Mann, „Meine Zeit“, 1950.

Wenn der Bundespräsident spricht, ist Krieg nicht Krieg, sondern die pure Menschenfreundlichkeit. Die Zumutungen von Hartz IV und „Bologna“ (beide 2003 auf den Weg gebracht) sind Wohltaten. Die Rolle der Bundesregierung in der EU-Krise gerät zur freundlichen Umarmung der Nachbarn. Daß ihnen die Luft wegbleibt sei höheren Mächten („Rezession“) zuzuschreiben. Die deutsche Geschichte - ohne jede Zäsur „in schwierigen Zeiten“ - wird zum kraftspendenden Sud einer mythischen Zukunft gebraut. Und wieder sind sie alle da: Wirtschaft, Militär, Nation und Glaube.

Vernünftige erkennen, daß hier fremdes Interesse einen Laut- und Langsamsprecher gefunden hat, damit - im Namen der sogenannten Freiheit - an den bestehenden Verhältnissen nichts verändert wird.

Wer Krieg, Krisen, sogenannte Sachzwänge wie die Austeritätspolitik („Schuldenbremse“) als ratlose Zerstörung und das gläubige Arrangement mit dieser obrigkeitlichen Ordnung ablehnt, ist aufgeschlossen für das Gegenteil:

„Die bürgerliche Revolution muß sich ins Ökonomische fortentwickeln, die liberale Demokratie zur sozialen werden.“

Thomas Mann, „Meine Zeit“, 1950.

Die Mythologisierung der Gegenwart als beste aller Zeiten wird immer weniger hingenommen. Auf den Straßen und Plätzen, in Schulen und Hochschulen, in Krankenhäusern und selbst in Banken, in Häusern und Studentenbuden wird kritisch nachgedacht.

Die Geschichte muß nicht wiederholt werden, wenn aus ihr gelernt wird. Ausbeutung ist keine Solidarität und Krieg nicht Frieden. Sozialabbau ist kein großes Muß. Geschwätz macht nicht klug.

Das Reden sollte der Verständigung für gemeinsame Verbesserungen dienen. Der Andere ist so anders nicht. Es regen sich soziale Bewegungen. Friedensengagement wirkt. Überall.

V.i.S.d.P.: Golnar Sepehrnia, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Sonntag, den 6. Oktober 2013, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1220.html