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Leben in der Bude
Die Novellierung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) ist dieses Semester ein zentrales Thema in der hochschulpolitischen Debatte. Dieses Gesetz regelt u.a. die Mitbestimmungsmöglichkeiten aller Universitätsmitglieder über Inhalte von Forschung und Lehre, die Anforderungen an Prüfungsordnungen, die Zulassungsbedingungen für das Studium und die Institutionen studentischer Interessenvertretung - kurz alle gesetzlichen Grundlagen für Forschung, Lehre und Selbstverwaltung.
Was könnte die Reform des Hochschulgesetzes bieten?
– Sie könnte die Möglichkeiten der demokratischen Mitgliederuniversität für die Gestaltung kooperativer Wissenschaftsprozesse durch größere Kompetenzen für die demokratischen Selbstverwaltungsgremien stärken.
– Die eigenständige Aneignung wissenschaftlichen Arbeitens und umfassender Bildung für die Studierenden könnte durch eine Weiterentwicklung der für Hamburg typischen Freiheit
der Studierenden in ihrer Studienplanung befördert werden.
– Die Bezugnahme auf gesellschaftliche Probleme im Sinne der Praxisorientierung durch die Förderung kritischer Wissenschaft könnte voran getrieben werden.
– Der Beitrag der Hochschulen zur Weiterentwicklung einer demokratischen und sozial gerechten Gesellschaft durch den offenen Zugang zu Hochschulbildung (auch Weiterbildung!) und die Qualifizierung zu politischer Partizipation könnte durch Gebührenfreiheit aller Studiengänge und paritätische Besetzung der Mitbestimmungsgremien voran gebracht werden.
Könnte.
Tatsächlich strebt die Wissenschaftssenatorin
Krista Sager (GAL) mit dem im Juni von ihrer
Behörde vorgelegten Referentenentwurf an, den Hamburger Hochschulen zentralistische Managementstrukturen mit einer umfassenden Entscheidungsgewalt des Präsidenten oder der Präsidentin zu oktroyieren.
Die Selbstverwaltungseinheiten auf untere Ebene (Fachbereiche und Institute) mit ihren Gremien stellt sie zur Disposition. Dabei bieten gerade diese die Möglichkeit, die Hochschulen nach den wissenschaftlichen Bedürfnissen in Forschung und Lehre des jeweiligen Faches zu gestalten.
Die Studierenden sollen durch verschärfte Zwangsmaßnahmen, wie die Möglichkeit der Exmatrikulation im Grundstudium (weil eine Beratung nicht besucht wurde), strikte Trennung von Grund- und Hauptstudium, Dauerprüfungen durch Leistungs-punktsysteme etc. zu stromlinienförmigem Studienverhalten angetrieben werden. Nur für die braven Studierenden im Erststudium, die den Rahmen der Regelstudienzeit einhalten, sollen Studiengebühren eindeutig ausgeschlossen bleiben. Mit Dauer-Evaluationen der universitären Bereiche (Forschung, Lehre, Verwaltung) nach nebulösen Leistungskriterien, die als Grundlage der Mittelzuweisung dienen sollen, wird die Konkurrenz zwischen Lehrenden, Arbeitsbereichen
oder Fachbereichen weiterhin verschärft. "Profs
auf Probe" und Deregulierung im Dienstrecht steigern dabei den Druck. Endgültig soll Konkurrenz statt Kooperation zur Triebfeder wissenschaftlichen Arbeitens werden.
Auf Fortschritt beharren!
Gegen diesen Vorstoß der Behörde haben wir mit Lehrenden und PersonalvertreterInnen die kritische Auseinandersetzung mit dem Referentenentwurf vorangetrieben. Bereits im Frühjahr hatten Konzil und Akademischer Senat die Einsetzung eines gemeinsamen Ausschusses zu diesem Thema beschlossen.
Auf Grundlage der dort erarbeiteten Positionen hat das Konzil im September eine Stellungnahme mit detaillierten Alternativformulierungen zum Gesetzentwurf beschlossen. Tenor: "Mehr Autonomie braucht mehr Demokratie" - die akademischen Gremien sollen in ihren Befugnissen gestärkt, das Präsidium tatsächlich kollegial verfaßt, die Möglichkeiten der Behörde zur Detailsteuerung abgeschafft und dafür die Mitwirkungsmöglichkeiten der nicht-professoralen Statusgruppen ausgebaut werden.
Entgegen der üblichen Vorurteile haben die
von der Handelskammer als "Kräfte der
Beharrung" denunzierten Gremienmitglieder in
der Akademischen Selbstverwaltung (trotz Ferien!)
ausgesprochen kooperativ und produktiv zusammengearbeitet, um auf eine entsprechende Änderung
des Referentenentwurfs zum HmbHG hinzuwirken.
Denn diese Reform soll Grundlage dafür sein, daß Bildung und Wissenschaft einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen leisten können.
Solche Reformvorschläge stoßen natürlich auf Widerstände. So beharrt die Handelskammer - oh, Wunder! - mit ihren wissenschaftspolitischen Interventionen vielmehr auf der Wahrung ihrer Profitinteressen als auf sozialem Ausgleich und gesellschaftlicher Veränderung. Und auch der Universitätspräsident Lüthje will sich nun mit einer eigenen Stellungnahme über die Beschlüsse des Konzils hinwegsetzen.
Weiter geht's!
Daß es keinen Grund gibt, die Privatmeinung
eines Präsidenten höher zu gewichten, als die gemeinsame Positionierung von Lehrenden, Personal
und Studierenden, wird man Herrn Lüthje vor
allem in den akademischen Gremien selbst verdeutlichen müssen. Daß, statt der seinen, die Stellungnahmen der akademischen Gremien, aber auch
der Landes-Asten-Konferenz und des Gewerkschaftsarbeitskreises, ausschlaggebend für die
politische Bewertung des Referentenentwurfes
werden, muß durch öffentlichen Druck erwirkt werden.
Erforderlich ist dafür auch, daß in den anstehenden Diskussionen um die Stellungnahme, bspw.
im Akademischen Senat (AS) der Universität, die Tendenz der Konzilsbeschlüsse gestärkt wird.
Der AS wird deshalb in seiner Sitzung Anfang
November zu den Teilen des Gesetzes Stellung
nehmen müssen, zu denen das Konzil noch nichts beschließen konnte. Dort ist dann z.B. folgendes zu verdeutlichen:
Die Freiheit der Hochschulen bei Berufungen muß erweitert, gleichzeitig aber mehr Transparenz in die Verfahren gebracht werden. Die arbeitsrechtliche Stellung v.a. der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen muß verbessert werden, die Freiheit der Lehrenden in Lehre und Forschung und deren kooperative Gestaltung gilt es gegenüber brutaler Konkurrenz durch pseudowissenschaftliche Evaluierung, befristete Einstellungen und Aufweichung von Datenschutzbestimmungen zu bewahren.
Die Freiheit im Studium als Voraussetzung
für die umfassende Qualifizierung der Studierenden
muß erhalten bleiben, die Organisationsmöglichkeiten der Studierenden in der Verfaßten Studierendenschaft dürfen nicht eingeschränkt werden.
Wir setzen darauf, daß Lehrende, Angestellte
und Studierende ihrem Interesse an einer demokratisch verfaßten, sozial gerechten und gesellschaftlich
verantwortlichen Hochschule Ausdruck verleihen.
Mut zur Politik!