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Bildung durch Wissenschaft - Auswertung des dies academicus
Am 23. April 2013 führte die Universität Hamburg den zweiten dies academicus zur Studienreform durch mit dem Grundgedanken und Motto: "Bildung durch Wissenschaft".
Damit ist die Revision der Bologna-Studiengänge, die top-down gegen massiven Widerstand besonders von Studierenden durchgesetzt wurden, demokratisch angelegt: Beteiligte aus allen Mitgliedergruppen diskutierten rege Ansprüche für Persönlichkeitsbildung und die gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaften sowie notwendige Konsequenzen für die inhaltliche und formale Studiengestaltung.
Im erste Teil der Beratung wurde anhand von Berichten und Stellungnahmen aus Präsidialverwaltung, Fakultäten und dem AStA der Fortschritt der Studienreform seit dem vorherigen dies academicus diskutiert. Das Studierendenparlament begrüßt die inzwischen in allen Fakultäten vorhandene problembewußte Haltung, daß originär wissenschaftliche Ansprüche der Bildung und eines kritischen Weltbezugs wieder neu entwickelt und verankert werden müssen. Beispielgebend kommt das zum Ausdruck in der Jura-Fakultät, die sich trotz Beibehaltung des Staatsexamens von der Ba/Ma-Ideologie negativ erfaßt sieht. Sie wirkt diesem Druck durch die Erarbeitung eines Leitbildes der Rechtswissenschaft für das Selbstverständnis in der Gesellschaft entgegen.
Das Studierendenparlament begrüßt ebenfalls die Abrüstung im Studium. Sie stehen Wissenschaftlichkeit und Emanzipation entgegen. Die Anwesenheitspflicht, Modulfristen und Exmatrikulationen aufgrund von nichtbestanden Prüfungen wurden oder werden beseitigt, die Prüfungslast gemindert. Daß diesbezüglich ein größeres Reformtempo möglich und nötig ist, hat insbesondere die WiSo-Fakultät mit einer Schnecken-Symbolik für den Reformprozeß beim Dies offenbart.
Im zweiten Teil der intensiven Tagung haben die Beteiligten erörtert, was „Bildung durch Wissenschaft“ sein soll, welche Relevanz sie hat und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Das Studierendenparlament bekräftigt, was die Diskussionen zeigten: Die Verantwortung der Wissenschaft für Frieden und Demokratie als Schlußfolgerung aus dem Faschismus, für soziale Gerechtigkeit sowie für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen - insbesondere angesichts der aktuellen Krise und sozialen Verwerfungen weltweit. Bildung bedeutet, die Befähigung für die Wahrnehmung dieser Verantwortung zu entwickeln, was allen Menschen zur Verfügung steht.
Das Studierendenparlament hält die folgenden Erkenntnisse und Ergebnisse dieser Diskussion für besonders Bedeutsam und weiter zur verfolgen:
- Bildung als Entwicklung von Soziabilität kann nicht das Training von „Soft Skills“ sein, sondern ist die Entwicklung qualifizierter sozialer Interaktion für die solidarische menschenwürdige Veränderung der Welt.
- Subjekt der Wissenschaft können Studierende wie alle anderen Mitglieder der Hochschule nur werden, wenn verbindender Anspruch aller Beteiligten ist, Subjekt der gesellschaftlichen Entwicklung zu sein und die notwendigen Mittel dafür zu erarbeiten.
- Die Reflexion des fachlichen Selbstverständnis in der Gesellschaft muß institutionalisiert werden als dauerhafter Prozeß mit Konsequenzen für Studium und Lehre.
- Jede Berufsorientierung im Studium muß kritisch-reflexiv sein, was bedeutet, nicht auf die Anpassung der Menschen an Berufsanforderungen, sondern auf die menschenwürdige Veränderung auch von Berufsfeldern zu orientieren.
- Der kritisch-reflexive Weltbezug darf nicht nur eine hübsche Ergänzung oder ein Teilbereich sein, sondern muß allgegenwärtig in Studium und Lehre werden.
- Ein umgekrempelter "ABK"/Wahl-Bereich ist zu nutzen, um diese emanzipatorische Ausrichtung der Wissenschaft voranzutreiben.
- Für die Orientierung im Studium sind so wenig Regeln wie möglich sinnvoll und statt dessen die begründete und transparente Positionierung, wie sich in Wissenschaft und damit auch Lehre auf die Herausforderungen der Gesellschaft bezogen wird.
- Die Lehr- und Lernform des Projektstudiums, wie in den 70er Jahren entwickelt, ist neu zu etablieren, weil es besonders die Möglichkeit eigenständiger inhaltlicher Schwerpunktsetzung bei einem vertieften Gesellschaftsbezug schafft.
Wesentliche Reformschritte für die Neugestaltung von Studium und Lehre sind daher:
- Die vollständige Umsetzung der Beseitigung von Restriktionen im Studium,
- dabei eine gemeinsame Grundorientierung über alle Studienfächer hinweg, die sich an den gesamtuniversitär erarbeiteten Positionen und nicht an den "vorsichtigsten" Reformern orientiert,
- die Durchsetzung des Master als Regelabschluß für die Bologna-Studiengänge,
- die soziale Absicherung der Studierenden für die Souveränität zur Bildung durch Wissenschaft, u.a. durch elternunabhängiges BAföG als Vollzuschuß und die Abschaffung der Verwaltungsgebühren,
- die Überwindung der strukturellen Unterfinanzierung und damit der Ausstieg aus der Schuldenbremse.
Das Studierendenparlament unterstützt den AStA und insbesondere die Fachschaftsräte in ihren Bemühungen um die Studienreform in diesem Sinne.