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Internationalistische Kooperation statt ‚Brain Drain‘
„Wir haben zu viele von den falschen und zu wenige von den richtigen Studenten“
Jochen Hellmann, Leiter der Abt. Internationales Uni Hamburg , Die Zeit 24/2003. html
Wissenschaftssenator Jörg Dräger hat einen Unterstützer an der Uni. Der Leiter der Abteilung Internationales/Akademisches Auslandsamt, Jochen Hellmann, bemüht sich eilfertig, die Politik des Rechtssenats umzusetzen. Vieles, was im Bereich des „Ausländerstudiums“ oder bei internationalen Programmen der Uni erprobt wird, soll auf die gesamte Uni übertragen werden. Selektion und Elitenbildung sind dabei Programm: Menschen einzuteilen in „falsch und richtig“ spricht Bände über die Unmenschlichkeit der Grundposition von der aus die Praktiker des Neoliberalen auch an der Uni Hamburg Hochschulpolitik machen.
Der Zweck der Übung ist im Senatsleitbild „Wachsende Stadt“ technokratisch formuliert: „Um bei demographisch bedingten Defiziten der deutschen Bevölkerung den mittel- bis langfristigen Erhalt von Innovationskraft, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit für den Wirtschaftsstandort Hamburg gewährleisten zu können, bedarf es einer Erhöhung des Wanderungssaldos mit dem Ausland insbesondere in Bezug auf junge, begabte Mensch, um die die Konkurrenz von Standorten künftig intensiver werden wird.“ Der Senat setzt also auf den „Brain drain“. „Exzellente Köpfe“ aus dem Ausland sollen zur Weiterqualifizierung für die bessere „Wettbewerbsfähigkeit“ in die „Metropole Hamburg“ geholt werden. Sie dürfen bleiben oder nach hier abgeschlossener Ausbildung irgendwo anders in der Welt in Wirtschaft, Politik und Kultur für den Standort Hamburg werben. Gut verwertbar? Dankbar? – Du bist Willkommen! Flüchtlinge hingegen werden derzeit in Hamburg so massenhaft abgeschoben wie noch nie. Dass infolge dieser Politik den entwicklungsschwächeren Regionen genau jene Menschen abgeworben werden, die dort soziale, friedliche und demokratische Entwicklung besonders befördern könnten, ist Teil des Programms.
In diesem Sinne soll also an der Uni (weiter) abgewickelt und „reformiert“ werden: Mit konsekutiven Bachelor/Master-Studiengängen sei für den „Wirtschaftsstandort“ eine Masse wissenschaftlich vorqualifizierter Facharbeiter bereitzustellen. Nur eine Elite möge sich für wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle „Führungsaufgaben“ im Dienste des Neoliberalismus bis zum Master (Magister) qualifizieren. Dafür sollen restriktive Zugangstest und Quoten zum Master sorgen. Credit Points und Dauertests sollen zur Erhöhung des Anpassungsdrucks beitragen, Eingangstests sorgen für das rechtzeitige Aussieben der f„alschen Studenten“ und Studiengebühren für ‚disziplinierte‘ Studiengestaltung.
Damit die gewünschten ausländischen „High Potentials“ auch den Weg nach Hamburg finden, preisen Marketingkampagnen auf Hochschulmessen das Studium „Made in Germany“ an. Für die ‚ausgelesenen‘ Studierenden stehen Stipendien, Sonderprogramme und Privatstudiengänge zur Verfügung. Das Ausländerrecht bildet für sie kaum eine Hürde mehr. Wer die scharfen Aufnahmekriterien für solche Programme nicht erfüllt, wer die Kosten und Gebühren nicht zahlen kann, soll hingegen zusehen, wie er alleine mit Finanzierung des Studiums, Arbeit, Wohnung, Sprachkursen und Ausländerbehörde zurecht kommt. Entsorgt werden soll, was in den 70er Jahren an Voraussetzungen geschaffen wurde, um Menschen aus anderen Ländern, unabhängig von sozialer und geographischer Herkunft, hier ein Studium zu ermöglichen. Austauschprogramme und finanzielle Förderungsmöglichkeiten, umfangreiche Beratungen und kostenlose Sprachkurse (auch für Deutsche), Studienkollegs zur Studienvorbereitung und Mindestquoten bei der Zulassung sind nur einige Ergebnisse der damals erkämpften Reformen zur fortschrittlichen Internationalisierung. Dagegen ist die aktuelle „Internationalisierung“ aus Abwicklung und neoliberalen Deformen nichts anderes als Bildungsprivatisierung.
Dabei wäre eine ernsthafte Internationalisierung der Hochschulen möglich und erforderlich: Die soziale und rechtliche Ungleichheit ausländischer Studierender konnte bisher durch die erkämpften und nun gefährdeten Errungenschaften nur abgemildert werden: durch Öffnung des Hochschulzugangs, durch die soziale Absicherung aller Studierenden, durch den Abbau der Zulassungsbeschränkungen und den Ausbau der kostenlosen Sprachkurse sowie durch Förderung der internationalen Austauschprogramme für Studierende und Wissenschaftler. All dies ebenso wie die zahlreichen Universitätspartnerschaften können Grundlage für produktive internationale und solidarische Kooperation in Lehre und Forschung sein. Damit stünde die Internationalisierung der Universität im Zeichen einer „friedlichen und menschenwürdigen Welt“, wie es im Leitbild der Universität heißt, und diente der „Verständigung“ und weltweit „humanen, demokratischen und gerechten Entwicklung“. In diesem Sinne wäre es auch wieder richtig, wenn die „Universitätsabteilung Internationales“ Reformen mit ‚Modellcharakter‘ für die gesamte Universität entwickelt.
Eine humane internationale Entwicklung durch Wissenschaft und Bildung zu fördern, erfordert die Durchsetzung von Gleichheit und Solidarität an den Hochschulen – für die ganze Gesellschaft. Dafür muss die Verfasste Studierendenschaft wirken. Es gibt eben keine falschen und richtigen Studierenden. Es gibt aber falsche und es gibt richtige Hochschulpolitik ...