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,,Eine zweite Aufklärung“ -
SPD auf der Suche
,,Gut 30 Jahre ist es jetzt her, dass die Welt in die Finanzglobalisierung startete und aus bescheidenen Banken allmählich riesige Geldmaschinen wurden. (...) Selten ist eine wirtschaftspolitische Großidee so krachend gescheitert wie diese. (...) Die Vermögensillusion hat eine Schuldenwelle erzeugt: Jeder, der sein Vermögen mehrt, braucht jemanden, der die Verbindlichkeit trägt. (...) Gerade die USA und Großbritannien, wo die Finanzsause ihren Ausgang nahm, haben heute auffällig höhere Krankheitsraten, mehr Schulabbrecher, Teenagergeburten und Tötungsdelikte. Ein absurd hoher Preis für eine Idee, die schon einmal gescheitert ist: mit dem Crash von 1929.“
Thomas Fricke, ,,Glückliche Zeiten“, aus dem Magazin: Capital, 25.03.2013.
So verarbeitet heutzutage ein Manager-Magazin das Scheitern des Neoliberalismus. Die Banken, empfiehlt es, sollten nur noch ,,reale Projekte“ finanzieren und ,,vielversprechende Investitionen in saubere Autos, bessere Medikamente, schnellere Züge, klimaneutrale Häuser und zuverlässigere Maschinen“ tätigen. Mehr Bank brauche der Mensch nicht. Das richtet sich gegen Spekulationen jeder Art und spiegelt die Notwendigkeit, die ganze Ökonomie an der Schaffung vernünftiger Gebrauchswerte, sozialer und kultureller Einrichtungen und der Wohlfahrt für alle auszurichten.
Solche praktischen Einsichten entstehen, wenn zur Kenntnis genommen wird, daß wir in einer Klassengesellschaft leben und der Gegensatz von ,,Oben“ und ,,Unten“ ursächlich für die Probleme der Gegenwart ist. Demokratie ist dann und dementgegen das kollektive politische Eingreifen für gute Lebensverhältnisse für alle: Aufklärung als soziale Bewegung der Mehrheit für die Mehrheit.
Vor solchen Konsequenzen aus dem Gegensatz sozialer Interessen von 1 zu 99 Prozent der Bevölkerung verdrückt sich der Parteivorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel (gemeinsam mit der Potsdamer Philosophin Susan Nieman) unter der irreführenden Überschrift ,,Wie wäre es mit Aufklärung?“ in luftige Gebilde: ,,Manche behaupten, der Materialismus von links und von rechts habe den Idealismus besiegt, so dass sich die Parteien inzwischen bis zur Unkenntlichkeit ähnelten (...).“ ,,Hier ist von menschlichen Gefühlen, Enttäuschungen, Verdrossenheit und Vertrauensverlust die Rede.“ (FAZ, 3.4.2013) Die Krise macht aber nicht nur schlechte Gefühle, und der Materialismus der Linken ist die humanistische, sozial verändernde Kritik an der Habgier der Rechten. Ins Gestrüpp führen hingegen fortgesetzte Kniebeugen vor dem Standortdogma: ,,Europa muss endlich etwas anderes werden als eine bloße Freihandelszone. Dies wäre unter anderem eine Europa, in dem in die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bewusst investiert wird (...)“. Der relative Wohlstand hier weiter an den Vorteil vor anderen Weltteilen zu knüpfen (,,Wettbewerb“) ist ignorant und in der globalisierten Welt auch gesamtwirtschaftlich unrealistisch. Dem Mangel an internationaler Solidarität entspricht die vermeintliche motivationale Selbstverständlichkeit des Egoismus; Leistung für die Gemeinschaft (zu fragen wäre mindestens: was für eine?) müsse sich individuell lohnen: ,,Eine Demokratie braucht ebenso wie eine dynamische Wirtschaft das Streben der Menschen, die wissen, dass, ohne etwas für das Gemeinwesen zu erreichen, man wenig für sich erreichen können wird.“ Das zerstörende Gewinninteresse einer herrschenden Minderheit bleibt so unhinterfragt. Soll es wohl auch, wenn jede Kritik im Parlamentarismus verendet: ,,Ein europäisches Parlament, das über wirklich wirksame Rechte verfügt, wäre ein erster Schritt zur zweiten Aufklärung in Europa.“ Zeitgemäß ist aber, daß alle ihre Stimme erheben und nicht bloß alle fünf Jahre abgeben.
Kurz um: Die Sozialdemokratie kommt nicht aus dem Quark, wenn sie sich im krisenhaften Kapitalismus einrichten will. Das muss nicht so bleiben. Aus der Geschichte lässt sich lernen: Austeritätspolitik war schon 1929 ff. falsch.
Die ,,zweite Aufklärung“ ist bereits im Gange.