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Fürs Leben lernen: Verändern!

Eine echte Studienreform ist erforderlich

,,In der Empirie finden die Reformpädagogen allerdings wenig Legitimation: Kinder lernen immer noch am besten, wenn man sie in guter alter Manier frontal unterrichtet. [...] Mehr zuhören, weniger diskutieren, üben statt ständig experimentieren - das erscheint nicht nur für die guten Schüler äußerst gewinnbringend, sondern auch für schwächere und vor allem jene aus eher benachteiligten Schichten.“

Inge Kloepfer, ,,Frontalunterricht macht klug“, FAZ, 15. Dezember 2012.

Dann wäre die Welt der Konservativen endlich wieder in Ordnung: Alle lernen, was sie lernen müssen, um in der konkurrenzgeprägten Hierarchie der Verwertungsgesellschaft eingeordnet zu werden: ,,gewinnbringend“, das sagt alles. Wer widerspricht bekommt Nachhilfe oder Ritalin. Diese Individualisierung gesellschaftlicher Probleme ist ebenso schädlich wie gescheitert. Widerstreben ist da nicht ,,Versagen“, sondern rational menschlich.

Das gilt auch in dem auf Druck der großen Industrie eingeführten BaMa-System. Es arbeitet ebenfalls mit der verkehrenden Behauptung, der Mensch sei faul und deshalb zum Lernen zu nötigen (Fristen, Prüfungen, Anwesenheitspflicht etc.). Solches ,,Lernen“ ist aber Anpassung, nicht Bildung. Mit der Kritik daran ist nicht das Lernen in Frage gestellt, sondern die vorgegebenen Ziele und die entsprechenden Methoden geraten immer tiefer in Kritik: Soziale Progression zur Überwindung jeder strukturellen Benachteiligung, auskömmliche Löhne und Vollbeschäftigung, Gesundheit, Bildung und Kultur für alle und, last but not least, Frieden werden überwiegend befürwortet, und weil dafür weltweit zunehmend Menschen engagiert sind, ist umso nötiger, daß sich auch die Hochschulen in Studium und Lehre diesen gesellschaftlichen Herausforderungen stellen. Solidarische Qualifizierung für eine dynamische progressive Entwicklung mit dem Ziel einer menschenwürdigen Welt erfordert kritischen Gesellschaftsbezug und sozial und strukturell unbedrängten Disput.

Dafür ist der Prozeß der Studienreform begonnen. Die Anwesenheitspflicht ist zumindest für Vorlesungen abgeschafft, die Modulfristen sind auf Grundlage humanistischer Kritik von Studierenden in der MINFakultät beseitigt, die Zahl der Prüfungen soll im nächsten Schritt gesenkt werden. Da mit Modulen unwissenschaftlich suggeriert wird, es gäbe abgeschlossene, fertige Lehrportionen zu übernehmen, sind sie zu Gunsten von Lehrveranstaltungen, in denen die Entwicklungsziele von den Beteiligten gemeinsam bestimmt werden, zu ersetzen. Die ABKKurse sind durch Kurse mit kritischem Praxisbezug zu ersetzen. Diese Entwicklung wird in der ganzen Uni vor allem durch studentisches Engagement organisiert vorangetrieben.

Daran können sich alle verstärkt beteiligen: durch die offene Thematisierung von progressiven Ansprüchen, durch Kritik aller konkurrenzverschärfenden Leistungsund Verwertungsnormen und mit der Perspektive der Verwirklichung gemeinsamer sozialer Interessen. So entsteht eine Kultur solidarischer Entwicklung.

,,Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen. Der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein.“

Bertolt Brecht, ,,Leben des Galilei“, 1938/39, in: Bertolt Brecht: Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, Bd. 5, S. 67.

V.i.S.d.P.: Golnar Sepehrnia, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 17. Dezember 2012, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1173.html