Menü | Home › Publikationen › harte zeiten › Flugblatt von harte zeiten vom
10 Jahre ,,Hartz“ -
Und nun?
,,Was als »Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt« in einer aufwändigen Kampagne als Hartz-Reform etikettiert daher kam, krempelte in Wahrheit alles um, was Gewerkschaften und Belegschaften den Arbeitgebern und dem Sozialstaat in 50 Jahren Nachkriegszeit abgerungen hatten. Hartz war der Erste, der den Deutschen klaren Wein einschenkte. Der sagte: die Wohlfühlrepublik und Hängematten-Philosophie ist zu Ende. Ab Morgen ist Schluss mit Fordern. Jetzt geht's los mit Arbeiten.“
Prof. Dr. Thomas Straubhaar (Uni Hamburg), ,,Hartz sei Dank“, Stern, 14. August 2012.
,,Alle Wissenschaft und Künste haben ein Gut und Ziel, das größte und wichtigste von allen, die Staatswissenschaft: Ihr höchstes Gut ist Gerechtigkeit, diese aber besteht in der Verwirklichung des Gemeinwohls.“
Aristoteles (384-322 v.u.Z), ,,Älteste Politik“.
Die Verwirklichung des Gemeinwohls ist seit der Antike Wissenschaft und Politik gleichermaßen ins Stammbuch geschrieben. Beide aber realisieren dies nur, wenn sie als Teil sozialer Bewegung entwickelt werden.
Dem Wirtschaftswissenschaftler Thomas Straubhaar, Leiter des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts, ist dies fremd. Er eliminiert mit seiner herrschaftsfreundlichen Lobhudelei, daß mit den sogenannten Hartz-Gesetzen Arbeitnehmerrechte im großen Stil abgewickelt wurden: Jede Arbeit ohne Lohnuntergrenze gilt seither als zumutbar. Wer keine existenzsichernde Arbeit findet, muß irgendeinen Job übernehmen. Sozialleistung gibt es nur gegen Gegenleistung.
Das deformiert die Gemüter.
In Hartz IV-Verhältnissen bedarf ein Kind zwischen 6 und 14 Jahren pro Tag angeblich nur 3,02 Euro zur Lebenshaltung.
In derselben Welt konnte der Marktführer für Luxusgüter LVMH (Givenchy, Bulgari, Louis Vuitton) im ersten Halbjahr 2012 seinen Gewinn um 28 % auf 1,68 Milliarden Euro steigern. Geschmeide gilt heute wieder als sicherste Anlage.
Tatsächlich schafft privater Reichtum private und öffentliche Armut.
Diesen Zusammenhang zu verschärfen, indem Unternehmen und Vermögende entlastet, damit die Gewinnspannen erhöht und destruktiven Spekulationen Tor und Tür geöffnet wurde, während der Druck auf die Bevölkerung, die eigene Haut nicht nur zu verkaufen, sondern auch noch zu gerben, erhöht wurde, ist die wahre ,,Errungenschaft“ der Hartz-,,Reformen“.
Der Systemwechsel vom demokratischen zum ,,aktivierenden“ Sozialstaat war außerdem ein großer Schritt in die heutige europäische Krise. Die europäischen Nachbarn wurden so unter Druck gesetzt, mit deutschen Niedriglöhnen und steuerparadiesischen Kapitalverwertungsbedingungen zu konkurrieren.
Ein notwendiges soziales Minimum für sozialstaatliche Demokratie wäre heute: steigende Löhne, sinkende Arbeitszeit, gesicherte Arbeitsverhältnisse, ein Leben lang vernünftige Bildung. Dazu gehören auch: eine bemerkenswerte Besteuerung großer Vermögen, Erbschaften und Unternehmensgewinnen. Außerdem: ein Verbot spekulativer Geschäfte und eine Beendigung jeglicher Kriegführung.
Dann gedeihen öffentliche Infrastruktur, Gesundheit, Kultur, Bildung und Arbeit fast von selbst. Mit ,,Hängematten-Philosophie“ hat dies allerdings wenig zu tun.
Mit solidarischer Interessenbewegung durch die Mehrheit für die Mehrheit schon.