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Angst vor ,,griechischen Verhältnissen“?

,,Das erste, womit er sein Werk eröffnete war das berühmte Edikt, Seisachtheia oder Erledigung genannt, wodurch alle Schulden aufgehoben, und zugleich verboten wurde, daß künftig keiner den andern auf seinen Leib etwas leyhen durfte. Dieses Edikt war allerdings ein gewaltsamer Angriff auf das Eigenthum, aber die höchste Noth des Staats machte einen gewaltsamen Schritt nothwendig. Er war unter zwey Uebeln das kleinere, denn die Klasse des Volks welche dadurch litt, war weit geringer, als die, welche dadurch glücklich wurde.“

Friedrich Schiller, Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon, Thalia III/11, 1790, S.61.

Wenn Politiker hierzulande vor ,,griechischen Verhältnissen“ warnen, dann wollen sie der Bevölkerung den Gürtel noch enger schnallen. In rechtspopulistischem Ton wird vor angeblichem südeuropäischen Schlendrian, vor Chaos und Anarchie gewarnt. Auf daß auch hierzulande die nächste Kürzungsorgie eingeleitet werden kann.

Der Sinn dieser Panikmache erschließt sich mit einem Blick auf die deutsche Seite des Euro, auf die leistungsbereite, ordentliche, selbstredend korruptionsfreie. Zum Beispiel: Der Baukonzern Hochtief, zuständig auch für die Hamburger Elbphilharmonie, bereichert sich seit Jahren an Privatisierung und Ausbau des Athener Flughafens sowie am Bau der Autobahn Athen-Saloniki. Siemens schmierte mit jeweils über 100 Mio. Euro die sozialdemokratische PASOK und die konservative Nea Demokratia für ein Monopol in der Kommunikationsbranche. 13 Prozent der bundesdeutschen Rüstungsexporte gehen weiterhin nach Griechenland, dessen Rüstungsetat doppelt so hoch ist, wie in jedem anderen EU-Land. Gleichzeitig haben die Regierungen Frankreichs und Deutschlands die ,,Hilfs-Pakete“ davon abhängig gemacht, daß die laufenden Rüstungsverträge eingehalten werden.

Folgerichtig erreichen die EU-,,Rettungsmilliarden“ keinen einzigen Arbeiter oder Angestellten, sondern fließen via Athen an die Gläubiger des griechischen Staates - also nicht zuletzt an die Deutsche Bank. Bei 11 Millionen Einwohnern der südöstlichen

Halbinsel leben dadurch 600.000 Kinder unter der Armutsgrenze, die Erwerbslosigkeit übersteigt 30 Prozent und Löhne, sofern sie überhaupt gezahlt werden, dürfen mehr als halbiert werden.

,,Griechische Verhältnisse“ sind angesichts dessen tatsächlich die solidarische Erhebung der Bevölkerung für eine soziale Erneuerung der Demokratie. Dafür werden seit Monaten Behörden besetzt und Fabriken und Zeitungen teilweise selbstorganisiert betrieben. Die Angestellten der Elektrizitätswerke sabotieren die ungerechte Immobiliensteuer, mit der kleine Wohnungseigentümer abgezockt werden sollen. Entsprechend wächst die Bewegung auch an Hochschulen, Schulen und auf den Straßen und Plätzen.

Die Alternative zum Kapitalismus als Sachzwang (Bankenrettung + Sparkonzerte) wird so in Griechenland für alle kenntlich: Kritisch engagiert gegen die Übel, aufgeklärt wider die Gewalt großen privaten Eigentums, für echte Partizipation, für sozialen Fortschritt und Frieden und somit couragiert in der Kultivierung des Alltags.

Griechenland, der Ursprung der europäischen Humanität und Demokratie, geht erneut voran.

Diese praktische Möglichkeit ist damit in der Welt - für alle!

V.i.S.d.P.: Golnar Sepehrnia, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 28. März 2012, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1104.html