Menü | HomePublikationenharte zeiten › Flugblatt der juso-hsg vom

Vernunft oder Verrücktheit

Zum Streit um die Atomfabrik

Es sei „vernünftig“, wenn deutsche Spitzentechnologie wenigstens in China eine Zukunft habe, nachdem sich Deutschland selbst in den 80er Jahren die „Verrücktheit“ geleistet habe, eine Hochtechnologie-Anlage im Wert von 720 Millionen Euro zur Investitionsruine werden zu lassen, verkündete Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch am 4.12.03 in einem dpa-Gespräch.

Nun soll die Atomfabrik in Hanau also doch verhökert werden, und zwar nach China. Die Fabrik soll die Produktion von Plutonium ermöglichen. Plutonium kann man nur zu zwei Zwecken nutzen: um noch lang über die Ausschöpfung der bestehenden Uranvorräte hinaus Kernkraftwerke zu betreiben, oder aber, um Atombomben zu bauen. Beides gefährdet bekanntlich die Gattung Mensch.

Die starke Anti-Atom-Bewegung der 80er verhinderte die Nutzung der Fabrik in Deutschland. Nun soll China die Anlage kaufen. Umzingelt von US-Basen und immer wieder neu entfachten Bränden wie auf der koreanischen Halbinsel ist China bestrebt, sein Atomwaffenarsenal zu modernisieren. Ein vielseitiger und noch sehr viel versprechender Markt wird erschlossen, Marktführer Siemens reibt sich die Hände um künftige Aufträge. Neue Atomkraftwerke und/oder die Technologie zur Herstellung von Atomsprengköpfen sind im Angebot. Man lebt von der Kriegsgefahr, auch wenn der beförderte Krieg der letzte sein könnte.

Doch: „Die Privatwirtschaft lässt sich nicht mit dem vermengen, was man innenpolitisch erreicht hat [nämlich den sogenannten Atomausstieg]“, weiß Regierungssprecher Thomas Steg. So soll Siemens auch beim Neubau eines Kernkraftwerks in Finnland unterstützt werden, denn „an dem Geschäft hängen unmittelbar Arbeitsplätze dran“, so Steg. Damit ergibt sich die Bundesregierung den bekannten Drohungen international agierender Konzerne, die auf diese Art jedes profitbringende, wenn auch menschenverachtende Handeln erzwingen wollen. In der Konkurrenz der Standorte um die Firmensitze mit den größten privaten Profiten werden Nationalstaaten und Regionen von Siemens & Co gegeneinander ausgespielt. Konkurrenz steigert eben nicht die Lebensqualität, sie steigert die Profite.

Soziale Entwicklung mit dem Ziel sozialer Gleichheit und umfassender Demokratisierung ist notwendige Voraussetzungen für Frieden und eine humane Gestaltung der Gesellschaft. So lässt sich auch „innenpolitisch erreichtes“ mit der Wirtschaft „vermengen“. Allerdings nur, wenn man sich traut, für Frieden und Sicherheit das private Wirtschaften einzuschränken und letztlich zu überwinden. Leben für private Profite zu riskieren ist wahrlich verrückt. Die demokratische Verfügung über Wirtschaft und Forschung zu erkämpfen ist vernünftig.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 8. Dezember 2003, http://www.harte--zeiten.de/artikel_11.html