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Realpolitische Denkwürdigkeiten

Der Rote Stuhl Nr. 9

„Ein Rückzug des Staates aus seiner Finanzierung wäre eine Katastrophe gewesen. Gut, dass es nicht so gekommen ist.“

Wahlflyer der Realo-„Juso“-Hochschulgruppe.

Oh, Danke! Großer Mond und helle Sonne, danke! Es ist Wahlkampf; da müssen alle Gruppen Nase zeigen. Zur Weihnachtszeit erfährt man, daß sie eine haben. Auf den Mensatischen findet sich nun auch die bunte Reklame der Realos, jener SPD-Jünger, die sich irreführend „Jusos“ nennen dürfen. Wohl freundliche junge Menschen halten ein Transparent mit dem nicht ganz zutreffenden Senats-Lob „Studiengebühren abgeschafft“. Erfreulich wäre gewesen, dieselben wären einmal in den letzten 6 Jahren mit einem Banner „Für Gebührenfreiheit“ auf einer Demo (oder auch nur auf einem SPD-Parteitag) gewesen.

Dann aber wären die Sessel im AStA erkaltet und – Aua!

Das Geschenkpaket der Jugendgruppe scheint gut gefüllt. Doch sie paddeln im Mainstream der Stadtpolitik; das nennen sie „pragmatisch“: Studiengebühren seien bereits abgeschafft, die Kürzungen beim Studierendenwerk gemindert (übrigens mitnichten zurückgenommen!), Modulfristen sollen schwinden und die Prüfungslast gesenkt werden. Auch etwas mehr studentische Mitsprache in Gremien und beim Uni-Bau gelten als wünschenswert. Das sind sämtlich Einzelforderungen, gegen die sich vom Rathaus über das Uni-Präsidium und die Dekanate bis hin zum Studierendenparlament kein Widerspruch regt.

Auffällig ist hingegen, daß die Kürzungsattacken des SPD-Senats brav unerwähnt bleiben. Die „Schuldenbremse“, der Personalabbau, im Uni-Etat fehlender Inflationsausgleich, die fortgesetzte Unterfinanzierung, die soziale Notlage von KommilitonInnen, die erbarmungslose „Berufsorientierung“ (inkl. Stine)? - „Sei dabei und gestalte deine Uni.“

Tödliche Langeweile bekommt so eine etwas weniger sprichwörtliche Bedeutung. Dafür befindet sich das O.Scholz-Wahlkampfteam jedenfalls seit längerem in einer AStA-Koalition mit dem FDP-Nachwuchs „LHG“. Seither tritt gehäuft das Mißverständnis auf, der AStA (Allgemeiner Studierendenausschuß) sei Teil der Universitätsverwaltung (Behörde).

Das ist nicht der Fall. Tatsächlich ist dies der Ort, an dem Studierende als Studierende mit Studierenden (und allen anderen) in munterer geistiger Anstrengung für ein besseres Leben kämpfen sollten: Gerader Rücken schafft Entzücken!

V.i.S.d.P.: Golnar Sepehrnia, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 14. Dezember 2011, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1083.html