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Ein Gegensatz -
in der Tat

,,Es ist für viele Griechen schwer zu akzeptieren, dass vor allem die Durchschnittsbürger die Lasten tragen. Die Yachten und Villen scheinen hingegen nicht weniger zu werden. [...] Wenn ein Volk in einem solchen Maß mit sich ringt, dann verdient das unseren Respekt.“

Wolfgang Schäuble (CDU), Bundesfinanzminister, Interview mit dem Hamburger Abendblatt, 3.11.2011.

,,Soziale Demokratie ist heute an der Tagesordnung; nur in dieser geistigen Form und Verfassung, als eine zum Sozialen gereifte Freiheit, welche durch freiwillige Zugeständnisse an die Gleichheit die individuellen Werte rettet, kann die Demokratie überhaupt noch bestehen - innerhalb der Völker und zwischen ihnen.“

Thomas Mann, ,,Dieser Krieg“, 1940.

Unter dem Druck der kritischen Öffentlichkeit entwickelt selbst der außerordentlich konservative Schäuble eine verbale Sympathie für ,,die Griechen“, ,,die Finanztransaktionssteuer“ und dafür, daß ,,in Zukunft kein Akteur, kein Markt und kein Produkt ohne Regulierung“ bleiben dürfe. Getrieben von den couragierten Protesten wollen auch Konservative nun ,,Regulierungen des Finanzkapitalismus“ - um das unsoziale Ganze zu retten.

Die Allianz von ökonomisch Mächtigen (143 Konzerne kontrollieren 40 Prozent der Weltwirtschaft) und politischen Repräsentanten ist weder heilsam noch akzeptabel. Sie ängstigte sich derart vor der sehr griechischen Idee einer demokratischen Volksabstimmung über die ,,Euro-Rettung“ (= sozialer Kahlschlag), daß eine Regierung abgesetzt und durch ein EU-Protektorat ersetzt wurde.

Die internationale Solidarität für die rationale, humanistische Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens muß also weiter wachsen. Denn als lebendiger Gegensatz zur destruktiven Ungleichheit und zur spekulativen Willkür der Märkte schafft sie produktiven sozialen Zusammenhang in einer offenen, kooperativen Entwicklung: Emanzipation!

Eine sinnvolle Orientierung des Handelns dafür geben die von den Vereinten Nationen in Auswertung von Weltwirtschaftskrise und Weltkrieg 1948 geschaffenen Menschenrechte: ,,Der Wille des Volkes bildet die Grundlage für die Autorität der öffentlichen Gewalt.“ (Art. 21)

,,Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit sowie unter Berücksichtigung der Organisation und der Mittel jedes Staates in den Genuß der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind.“ (Art.22)

,,Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.“ (Art.23)

Und: ,,Die Bildung muß auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muß zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.“ (Art. 26)

Auch und gerade 63 Jahre nach ihrer Verabschiedung sind diese Rechte als handlungsleitende Ansprüche für eine Weltzivilisation aktuell und realisierbar. An den Möglichkeiten materieller und geistiger Produktivität mangelt es auf diesem Globus nicht. So ist Aufklärung die entscheidende Grundlage einer friedlichen Gesellschaft.

Dafür hat die Universität entscheidende Bedeutung, weil solidarisches Lernen, kritische Wissenschaft und demokratisches Eingreifen für eine bessere Welt der Kampf für die Zukunft sind. Jetzt stehen - im Gegensatz zu Ba/Ma, Stine, Gebühren und Management - positive Veränderungen von allgemeiner Bedeutung an: die soziale Öffnung und bedarfsgerechte staatliche Finanzierung der Hochschulen, die Erneuerung kooperativen Lernens sowie verantwortlicher Wissenschaft in einer geschichtsbewußten Universität und dafür die stetige Erweiterung demokratischer Partizipation.

Daß Hamburg eine reiche Stadt mit internationaler, demokratischer und sozial bewegter Geschichte ist, ist entgegen aller regierungsamtlichen Mahnungen zu Ordnung und Bescheidenheit durchaus eine Ermutigung. In der kritischen Kooperation für menschenwürdige Verhältnisse gedeihen wirkliche Neugier, produktive Muße, soziale Vernunft und gegenseitige Ermunterung.

,,Aber Herr Professor. Das ist doch schon eine Sprechstunde. Unsere Sprechstunde. Wir wollen hier mit Ihnen über Ihre Lehrinhalte diskutieren.
Renke schrie: Roter Terror.
Nein, sagte der Student durchs Megaphon: Das hier soll eine rationale Diskussion sein.“

Uwe Timm, ,,Heißer Sommer“, Roman, 1975.

Positive Veränderung beginnt mit einem Nein zum spekulativen Treiben der Märkte und marktkonformer Wissenschaft. Dieser kulturelle Bruch mit der Konkurrenz ist sozial bewegendes Eingreifen in die Gesellschaft. Der Pfad ist schon beschritten. Die Verallgemeinerung dieser Orientierung auch über die Hochschulen hinaus ist die aktuelle geschichtliche Möglichkeit studentischer Politik.

Solidarität kennt keine Grenzen!


Die Kandidatinnen und Kandidaten zum Studierendenparlament 2012/2013

Veröffentlicht am Freitag, den 11. November 2011, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1071.html