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Reif für Neues
,,Bisher versteckte sich hinter jeder ,,Euro-Rettung“ die Rettung von Banken. In Zukunft müssten nicht deutsche, sondern nur französische Steuerzahler französische Banken retten. Als überzeugter Marktwirtschaftler fällt es mir schwer, das zu fordern, aber in Frankreich und anderswo muss der Bankensektor temporär verstaatlicht werden. In den USA und in Schweden wurde das durchaus erfolgreich vorexerziert. Für Deutschland wäre das fast irrelevant, da sich schon fast zwei Drittel der Banken und ein noch höherer Anteil griechischer Staatsanleihen in staatlicher Hand befinden.“
Hans Olaf Henkel, ehm. Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), in: Die Welt: ,,Gegen die Euro-Krise hilft nur noch Plan C“, 8. 9. 2011.
,,Erst eine bewußte Organisation der gesellschaftlichen Produktion, in der planmäßig produziert und verteilt wird, kann die Menschen ebenso in gesellschaftlicher Beziehung aus der übrigen Tierwelt herausheben, wie dies die Produktion überhaupt für die Menschen in spezifischer Beziehung getan hat.“
Friedrich Engels, Dialektik der Natur, Einleitung, 1886, MEW 20.
Die Debatte um die Euro- Krise demonstriert, wie sehr sich das politische und ökonomische Establishment von wirklichen Erfordernissen entfernt hat.
Geht es darum, die Schulen erfreulicher und die Hochschulen offen zu gestalten? Geht es darum, die Ökonomie zu demokratisieren? Die Kultur von kommerziellem Trara und die Arbeit von Entwürdigung zu befreien? Wohnungen, Energie, Lebensmittel und Mobilität bezahlbar zu machen und Gesundheit ein allgemeines Gut werden zu lassen? Nein. Statt dessen wird sich eingehend und meistens pseudo-kontrovers mit der Rettung ,,des Euro“ und ,,der EU“ beschäftigt.
Bemerkenswert ist allerdings, daß unter dem Druck weltweiter sozialer Bewegungen der Interessenverband der Industrie sein Herrschaftsbündnis mit der Finanzwelt aufgibt und eine strengere Bankenkontrolle fordert. Unter demselben Druck stellt selbst der ehemalige Chef-Zocker der Deutschen Bank, Josef Ackermann, die schrankenlose Bankenmacht in Frage: ,,Wir müssen unsere gesamte Tätigkeit in allen Bereichen noch einmal gründlich daraufhin überprüfen, ob wir unserer genuinen Aufgabe als Diener der realen Wirtschaft gerecht werden.“
Hinter diesen Einräumungen verbirgt sich tiefe Besorgnis der Herrschenden über den Fortbestand des Kapitalismus. Mit einer gemilderten Variation der Ausbeutung wollen sie dieselbe verteidigen. Aber warum sollte der Glaube an die Unersetzbarkeit der Kräfte von Profit und Markt nicht genauso überholt und unrational sein, wie jede andere Anbetung scheinbar außermenschlicher Größen? Sowenig Geld ein Argument ist, ist der Markt demokratisch.
Die herrschende Meinung hinterfragen, widersprechen, diskutieren, eine eigene Meinung bilden, sich verständigen, gemeinsam Forderungen erheben, auf ihre Durchsetzung dringen, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und es kooperativ gestalten - für sinnvolle Arbeit, wahrhafte Bildung und würdige Lebensverhältnisse - das ist demokratisch. Die menschenwidrigen Gebote von Leistung und Gegenleistung können solidarisch überwunden werden.
Nur in diesem Sinne sollte Universität eine Werkstatt für die Gesellschaft sein.