Menü | Home › Publikationen › harte zeiten › Flugblatt von harte zeiten vom
Turbulente Etappe:
,,Nach Übernahme der Amtsgeschäfte haben wir in allen Behörden ungedeckte Schecks vorgefunden. Das stellt uns jetzt überall vor Probleme, mit denen wir umgehen müssen. Entscheidend ist für mich, dass man mit den Betroffenen redet. Und zwar nicht über das Ob, sondern über das Wie und Wo. Am Schluss muss dann aber entschieden werden.“
Andreas Dressel, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bürgerschaft zu den Kürzungen im Hochschulbereich, Interview im Hamburger Abendblatt, 23.5.2011.
,,Ordentlich Regieren“ heißt: Über die Knappheit öffentlicher Kassen jammern, Pfeffersäcke hofieren und die sogenannte Haushaltskonsolidierung in der Stadt durchstellen wollen. Die real existierende SPD ist handelskammerdevot und entsprechend verspannt.
Mit der Kampfansage fortgesetzter Kürzungen - nicht nur, aber besonders im Hochschulbereich - demonstrieren die Neugewählten nicht nur in Kleinstkaro ihre Dankbarkeit, endlich was geworden zu sein, sondern auch ihre grundfriedliche Einstellung zum Kapitalismus so wie er ist.
Die Überraschung über den defizitären Hamburger Haushalt kann aber angesichts spezialdemokratischer Eigenbeteiligung an der Aushöhlung des Sozialstaates (mittels Senkung des Spitzensteuersatzes, der Öffnung für Hedge-Fonds, der Zustimmung zur HSH-Rettungsbürgschaft, der Erosion von Tarifen und Binnennachfrage durch die Agenda 2010 etc.) nur geheuchelt sein.
Wer allerdings so oder ähnlich die ungebrochene Dominanz der Profitwirtschaft vertritt und zudem meint, die Bevölkerung mit der Larmoyanz prügelnder Eltern (Dorothee Stapelfeldt zur Kürzungspolitik: ,,Das schmerzt mich.“) und Verwaltungspragmatismus fortgesetzt zu Verzicht anhalten zu können, hat es nicht leicht zu überzeugen. Daher rühren auch die zittrigen Anordnungen des Hamburger Senats. Er steckt schon jetzt in einer tiefen Krise.
Immer mehr Menschen artikulieren: Bildung sei Besseres als pure Vorbereitung für die Erwerbsarbeit, Kultur soll Aufklärung sein, Demokratie wird in dauerhafter Partizipation und nicht durch das wortwörtliche Abgeben der Stimme realisiert, Arbeit soll nützlichen Zwecken folgen und auskömmlich bezahlt werden und der öffentliche Dienst sollte kein Apparat der sozialen Kontrolle und keine Melkkuh, sondern eine Grundlage für eine solidarische Gesellschaft sein. Nicht die Gewinne müssen steigen, sondern die Wohlfahrt.
Noch ist dieses Verhältnis verkehrt.
Das Infragestellen von vermeintlichen Sachzwängen ist deshalb der erste Schritt zu erneuerter Emanzipation. (Daran können auch bockige Politiker lernen.)
,,Die Demokratie ist insofern verwirklicht, ist heute in jedem Sinne eine innere Tatsache, als die Politik zu jedermanns Sache geworden ist und keiner sie verleugnen kann, weil sie mit einer Unmittelbarkeit, die frühere Zeiten nicht kannten, jedem auf den Nägeln brennt.“ (Thomas Mann, Nachwort zu ,,Spanien. Menschen in Not“, Zürich, Schweizer Arbeiterkinder-Hilfswerk 1937.)
Außerparlamentarische Aufklärung und Aktion gibt der erstarrten formalen Demokratie einen sozialen Inhalt.
Jetzt: Heraus aus dem Trott.