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Zweifelhafte Tugend

,,Deutschland Radio: Was würden Sie einem jungen Mann sagen, der Sie heute fragt, wo soll ich hin gehen? Warum soll er zur Bundeswehr kommen?
de Maizière: Wenn er gesund ist - das ist natürlich schon auch die Voraussetzung -, dann rate ich ihm, seine Freiwilligenzeit bei der Bundeswehr zu verbringen als junger Mann oder auch als junge Frau. (...) Weil er dort etwas für sein Land tut, weil er nicht schlecht verdient nach dem Schulabschluss, weil er eine soziale Kompetenz erwirbt, quer durch alle Schichten dieser Gesellschaft hinaus, die er nirgendwo anders erwerben kann, weil er Deutschlands Rolle in der Welt versteht und vertritt nach außen, wenn er in Einsätze geht, und weil ich fest davon überzeugt bin, dass mit diesem Rüstzeug, auch dem ethischen Rüstzeug, er für Arbeitgeber interessant ist und er oder sie für sein Leben etwas mitbekommt.“

DRadio-Interview mit dem Bundesminister der ,,Verteidigung“ vom 17. April 2011.

,,Macht der Angeklagte einen guten Eindruck - steht er militärisch stramm und sauber da, geweckt, aber nicht zu intelligent ...“
Arnold Zweig, Der Sergeant Grischa, 1927.

Haben wir richtig gelesen?
Dieselben Tugenden sollen wir haben, im Krieg wie im sogenannt Zivilen. Mit salbungsvoller Normalitätsrhetorik möchte der konservative Minister das Militärische der Bevölkerung nahebringen. Das persönliche Leben werde durch den Eintritt in die Bundeswehr bereichert - jedenfalls sofern man gesund ist und überlebt. Die normativen Klischees des Spießbürgers begründeten die Wohlfahrt im Inneren wie im Äußeren: Geld müsse man einfach haben, erwerbe es durch Biegsamkeit und Nationales. Das Glück gelänge dem, der dem Chef gefällt, auch wenn der General ist. Ein böser Schelm, wer jetzt an Allgemein Berufsqualifizierende Kompetenzen denkt.

Seit 1992 hat die Bundeswehr durch die sogenannten Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) der Bundesregierung den Auftrag: ,,Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung“ (VPR 1992, Pkt. 8). Die Soldaten zeichneten sich dafür folgendermaßen aus: ,,Im Zentrum des soldatischen Leitbildes steht weiterhin der Wille, Deutschland zu schützen und dazu notfalls auch sein Leben einzusetzen.“ (Pkt. 53)
Mittlerweile sichern Soldaten ,,deutsche Interessen“ in acht Ländern der Welt: den Bau von Pipelines, die Handelswege, den Zugriff auf ökonomische Ressourcen.
Werden dadurch die Löhne höher? Die Strompreise niedriger? Sozialleistungen anständiger? Wird die Kollegialität größer? Die Kultur oder gar die Politik klüger? Die Bildung demokratischer? Die Laune besser?
Wurde die Welt friedlicher, seit die ,,freie Marktwirtschaft“ scheinbar ohne Alternative ist?

Ehrlich: ,,Opfer“ sind schon im zivilen Leben falsch. (Sie werden übrigens immer von denselben erwartet.) Eine Gesellschaft die diese verlangt, verehrt oder auch nur nicht verhüten will, ist ganz grundsätzlich nicht in Ordnung.
Diese Einsicht findet Verbreitung und verdient weitere. Am Samstag demonstriert deshalb auch in Hamburg die Friedensbewegung. Für die Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr, den Stop des Krieges gegen Libyen, gegen einen projektierten Einsatz von EU-Bodentruppen dort und für die Abschaffung aller Atomwaffen, für die übrigens die Abschaltung der Atomkraftwerke die beste Voraussetzung ist.
Der aufrechte Gang ist die wirkliche Alternative zum Strammstehen. Frieden gelingt im Widerspruch zur Ungleichheit. Gelegenheiten gibt es genug.

V.i.S.d.P.: Golnar Sepehrnia, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 18. April 2011, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1031.html