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Vom demokratischen Wert des Konfliktes zwischen unten und oben

,,Es ist ein schwerer strategischer Fehler des neuen Senats, wenn sich der Bürgermeister in seiner Regierungserklärung in Sachen Finanzpolitik ausschließlich auf der Ausgabenseite konkret äußert und sich weiter auf Ausgabensteigerungen von durchschnittlich nur einem Prozent festlegt. Ich prophezeie, dass er mit diesem Vorhaben scheitern wird. Wer so viel zusätzliches Geld in den genannten Bereichen ausgeben will und zudem endlich Kita-Gebühren und Studiengebühren streichen wird, kann den Ausgleich des Haushaltes nicht nur über die Ausgabenseite herbeiführen. ... Wir bleiben dabei, würden die wirklich Reichen und Vermögenden sowie die Unternehmen in Hamburg nur die Steuern bezahlen, die sie der öffentlichen Hand tatsächlich schulden, sind viele Einnahmeprobleme schon gelöst. Außerdem brauchen die Kommunen und Länder die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die Reform der Erbschaftssteuer.“
Uwe Grund, Vorsitzender des DGB-Hamburg in einer Presseerklärung zur Regierungserklärung des neu gewählten SPD-Senates am 24.3.2011.

,,Reicher Mann und armer Mann
Standen da und sahn sich an.
Und der Arme sagte bleich:
Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.“

Bertolt Brecht, ,,Alfabet“, 1934.

Unter dem Druck der sozialen und kulturellen Proteste, die im letzten Jahr wesentlich Schwarz-Grün zu Fall brachten, muß der neue SPD-Senat von Anfang an soziale Zugeständnisse machen (Wohnungsbau, KiTa-Gebühren, Kulturförderung, ...). Wer es aber, wie Scholz & Co., zugleich der Handelskammer und den von dieser vertretenen Unternehmen recht machen möchte (,,ordentlich regieren“ - wessen Ordnung?), wird in der Tat an den zugespitzen Widersprüchen in der Stadt scheitern.
Das alte Märchen ,,Wenn's der Wirtschaft gut geht, geht es allen gut“ ist gründlich widerlegt. Je intensiver in den letzten 30 Jahren sämtliche Lebensbereiche dem Diktat der Profitmaximierung der am jeweiligen Standort ansässigen Konzerne unterworfen wurden, um so drastischer die Verschlechterung der realen Lebensbedingungen der großen Mehrheit. Die dadurch aufgeschwollenen privaten Vermögen und Bankengewinne erwiesen sich an den internationalen Finanzmärkte als ökonomische Massenvernichtungswaffe. Unter dem Druck des künstlichen Mangels sollen durch Markt und Konkurrenz sowie die angeblich unvermeidliche Haushaltskonsolidierung profitfreundliche Politik und ein konformer Alltag herbeigepreßt werden. Dagegen mobilisiert die außerparlamentarische Bewegung - nicht nur in Hamburg. Damit wirklich eine Tendenzumkehr gelingt ist der Konflikt mit der Handelskammer erforderlich, denn: eine solidarische Gesellschaft ist das Gegenteil der Mehrung und Verteidigung des Reichtums in den Händen weniger.
Der Kampf für Gebührenfreiheit des Studium hat da exemplarische Bedeutung. Angesichts reduzierter und repressiv gewährter Sozialleistung sowie erwarteter härtester Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sollte das Bezahlstudium als individuelle Investition in die eigene Vermarktbarkeit als Arbeit,,nehmer“ verstanden und stromlinienförmig durchgezogen werden. Die beabsichtigte Zerstörung von kritischer Bildung, demokratischer Partizipation und Solidarität konnte jedoch auf Grund des engagierten Widerstandes der Studierenden selbst nicht durchgesetzt werden. Diese emanzipatorisch-praktische Absage an Konkurrenz und Unterordnung bildet die Grundlage, eine menschenwürdige Gesellschaft und dafür humanistische Wissenschaft zu erstreiten und zu entwickeln.

Der neu gewählte Bürgermeister versucht die Abschaffung der Studiengebühren (laut Regierungserklärung) auf einen unbestimmten Zeitpunkt ,,in dieser Legislaturperiode“ zu verschieben. Das mag auch der Hoffnung entsprechen, eine durch Gebühren eingeschränkte Studierendenschaft werde nicht all zu dynamisch für gesellschaftliche Veränderungen kämpfen. Da hat sich schon der letzte Senat verrechnet - eine neue, aussichtsreiche Etappe der Auseinandersetzung ist eröffnet.
Gleichheit ist die Grundlage der Demokratie. Sie ist unvereinbar mit kapitaler Destruktion. Die muß also überwunden werden. Mit dieser Perspektive gewinnt die Bewegung für Gebührenfreiheit die erforderliche Konsequenz.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 30. März 2011, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1027.html