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Menschenrecht gegen Völkerrecht? - Eine Absage

,,»Wenn Gaddafi und seine Militärs weiterhin die libysche Bevölkerung systematisch angreifen, kann ich mir nicht vorstellen, das die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen tatenlos dabei zuschauen«, sagte Rasmussen [Nato-Generalsekretär] am Montag in Brüssel. [...] Rasmussen bekräftigte, die Nato werde vorbereitet sein, falls der UN-Sicherheitsrat eine Flugverbotszone über Libyen genehmige.“
,,Werden nicht tatenlos zusehen“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. März 2011.

Die Nato rasselt mit den Säbeln, die USA ziehen Truppen auf Kreta zusammen, die Bundesmarine schickt Schiffe ins Mittelmeer. Die westlichen Mächte sind durch die emanzipatorischen Bewegungen im arabisch-afrikanischen Raum beunruhigt. Sie liebäugeln mit einem neuen Krieg, obschon ihre ,,humanitären Interventionen“ immer blutig scheitern.

Libyen, die ehemalige italienische Kolonie, in der die Erhebung gegen den verkommenen Herrscher Gaddafi durch dessen militante Gegenwehr in einen Bürgerkrieg umgeschlagen ist, ist ein rohstoffreiches Land. Es hat eine traditionell eher egalitäre Sozialstruktur, die nach der Befreiung von der kolonialen Abhängigkeit 1969 durch den sogenannten islamischen Sozialismus auf Basis von Erdöleinnahmen zu einem autoritären Wohlfahrtsstaat ausgebaut wurde. Bildung, Gesundheitsversorgung, soziale Absicherung haben für ein afrikanisches Land ein hohes Niveau. Der Frauenanteil unter den Studierenden beträgt über 50 Prozent. Allerdings ist dieses System, daß spätestens seit dem Jahr 2000 vom Westen protegiert wurde, um Zugang zu Rohstoffen zu erhalten und die innerafrikanische Unterdrückung der Flüchtlingsbewegung von Süden nach Europa zu sichern, korrupt, degeneriert und wirtschaftlich stagniert. 30 Prozent der Bevölkerung, vor allem junge Menschen, sind hochqualifizert, erwerbslos und ohne vernünftige Perspektive.

Gelingt in diesem Land die Revolte, müssen bereits errungene Sozialstandards aktualisiert, ausgebaut und durch echte politische Massenpartizipation erweitert werden. Die Ölquellen blieben in staatlicher Hand und der Markt würde mitnichten für den zerstörerischen Warendruck aus den europäischen Exportländern geöffnet. Das wäre ein weiteres positives Beispiel für die Entwicklung der gesamten Region. Dies geht insbesondere den Regierungen Merkel/Sakorzy/Berlusconi zu weit.

Darum werden, wie zur Kriegslegitimation gegen Jugoslawien, Afghanistan und Irak, Menschenrechte wie eine Axt gegen das Völkerrecht angelegt: Krieg schütze und rette Menschen. Die Leute in Libyen schicken sich aber an, sich selbst zu retten. Und zwar ohne Rücksicht auf die kapitalistischen und parlamentarischen Normen der EU.

Eine NATO-Intervention, beginnend mit der Errichtung einer ,,Flugverbotszone“, die nur durch einen Luftkrieg durchgesetzt werden könnte, würde gegen das Völkerrecht verstoßen. Außerdem würde sie die Gewalt in Libyen schüren, denn die vollständige Militarisierung des innerstaatlichen Konfliktes wäre damit besiegelt. Und die künftige neo-koloniale Abhängigkeit Libyens vom Westen wäre eine ausgemachte Sache.

Völkerrechtlich gilt deshalb: ,,Aus dieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche Angelegenheiten einer Regelung auf Grund dieser Charta zu unterwerfen, nicht abgeleitet werden; [...].“ (Art. 7 UN-Charta.) Die staatliche Souveränität ist eine wesentliche Grundlage dafür, daß die Emanzipation der Bevölkerung gelingen kann.

Menschenrecht ist Friedensrecht. Diese Einheit ist nicht auflösbar.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Dienstag, den 8. März 2011, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1024.html