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Sprachloses Studierendenparlament?
Mit der Auflehnung gegen die Ordinarienuniversität begann Ende der 60er-Jahre ein Prozeß der Demokratisierung und Politisierung der Hochschulen. Durch geeintes Wirken errangen die Studierenden während der 70er Jahre die Schaffung der Gremienuniversität und Verfaßten Studierendenschaft (VS). Die Öffnung der Hochschulen setzte einen gesellschaftlichen Wandel weg vom autoritären Obrigkeitsstaat hin zur emanzipierten Gesellschaft in Gang. Es wurde für die Studierenden möglich, als Wissenschaftler Lebens- und Arbeitsbedingungen aktiv mitzugestalten, indem sie in den Gremien Einfluß auf die Inhalte von Lehre und Forschung nahmen. Das Studierendenparlament (SP) wurde zu einem Ort der demokratischen Auseinandersetzung um studentische Interessen und ihre Realisierung.
Studentische Interessenvertretung
Seit dem hat das SP zentrale Bedeutung für die zeitgemäße Fortführung dessen, was "68" an demokratischer Interessenvertretung in den Hochschulen ermöglicht hat. Dort geht es darum, für eine möglichst schlagkräftige Interessenvertretung, die gemeinsamen Interessen zu klären und Positionen weiterzuentwickeln. Dazu gehört es, daß mit breiter Partizipation der studentischen Öffentlichkeit in demokratischer Auseinandersetzung die Arbeitsvorgaben für den Allgemeinen Studierendenausschuß (AStA), das Exekutivorgan des SP, bestimmt werden. Dafür ist erforderlich, möglichst vielen die aktive und qualifizierte Beteiligung (durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit und sachbezogene Vorbereitung in Ausschüssen) zu ermöglichen.
Selbstbeschneidung im Studierendenparlament
Letzten Donnerstag kam das Studierendenparlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Im tiefen Mißtrauen in die Vernunftfähigkeit aller Menschen hat die Grüne Hochschulgruppe (GHG) gravierende Änderungen an der Geschäftsordnung vorgeschlagen. So schrickt die Grüne Hochschulgruppe vor den Unwägbarkeiten jener demokratischen Debatte zurück und verfällt in autoritäre Verhaltensmuster einer längst schon gebrochen geglaubten elitären Tradition zurück. Da beschließt das Bündnis um Fachschaftsliste, Pferdestall und GHG, die ständigen Ausschüsse für Hochschulpolitik, Soziales, Internationales, frauenpolitische und feministische Kooperation, Kultur und den Ausschuß für Satzung und Geschäftsordnung aus letzterer zu streichen. Und weiter haben Nichtparlamentarier nun zu warten, bis alle Parlamentarier sich geäußert haben, ehe ihnen das Rederecht erteilt wird. Wer zukünftig einen Ausschuß beantragt, hat noch kein Rederecht, mit dem er sein Anliegen äußern könnte. Gar munter verkürzte man die Redezeiten für Fragen an SP-Präsidium, AStA und Kandidaten. Am Ende verstieg man sich sogar, die halbe Stunde allgemeiner Fragen und Aussprachen am Anfang einer Sitzung zu streichen. Diese war ein wichtiger Schritt auf dem Wege zum Allgemeinpolitischen Mandat der VS. SP-Präsident Eichler setzte diese Politik mit allen Mitteln durch und unterband jegliche Diskussion um die Geschäftsordnungsänderung. Der RCDS, zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr vertreten, wird sich freuen, daß die Grünen erreicht haben, wofür die Rechten normalerweise erst den Weg vor Gericht wählen: Die Verfaßte Studierendenschaft soll künftig häufiger schweigen!
Bekenntnis zur Demokratie
Wir wollen über die studentische Interessenvertretung die gesellschaftliche Entwicklung weiterhin positiv beeinflussen. Dazu fordern wir eine weitere Öffnung
der Hochschulen, um die gesamte Bevölkerung an der Gestaltung der sozialen Demokratie teilnehmen zu lassen. Das heißt konkret, für bessere Ausbildungsförderung und gegen jegliche Studiengebühren einzutreten, für mehr Mitbestimmung in den Hochschulen und kritischen Gesellschaftsbezug in den Wissenschaften zu kämpfen. Der Persönlichkeitsentwicklung zu engagierten Demokraten muß im Studium genausoviel Platz gelassen werden wie der Aneignung wissenschaftlicher Kompetenz. Weiterhin fordern wir in allen Ebenen der Uni-Selbstverwaltung bei Berufungen, Studienreformen, Prüfungsordnungen und Mittelvergabe gleichberechtigt mitentscheiden zu können und werden die Errungenschaften der Verfaßten Studierendenschaft verteidigen. Das Studierendenparlament muß daher weiterhin als der zentrale Ort der Auseinandersetzung um die richtige Richtung solidarischen studentischen Handelns bleiben!