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2011 - Besser in Bewegung
,,Nachts klang zwölf Glasen - (nein, vielleicht zwölf Uhr) -
Wie aus Westindien - dumpfes Dampfertuten,
Ich träumte (aber dieses lüg ich nur )
Ich träumte eben von der Tante Bur, -
Kann es wohl sein, daß Augenwimpern bluten?
Hier trink ich morgens Bier auf nüchtern Magen
Und häufe Wurst auf grobes, schwarzes Brot,
Und fühle mich so stark in jeder Not,
Ich würde mich hier schämen, je zu klagen.“
Joachim Ringelnatz, ,,Hamburg“, Reisebriefe eines Artisten, 1927.
In Hamburg leben 23 Prozent der Kinder in offiziell anerkannter Armut; fast jedes Vierte. Sie sollen bald - die Nachwuchs-Ministerin von der Leyen macht's möglich - Gutscheine für rationierte Bildungsteilhabe erhalten. Großzügig.
Das Hamburger Abendblatt fragt zum Jahresende den Chef der HAPAG-Lloyd AG nach deren Jahresbilanz: ,,Für die ersten neun Monate hat Hapag-Lloyd einen operativen Gewinn von mehr als 500 Millionen Euro ausgewiesen. Wie ist es möglich, dass ein Unternehmen, das vor einem Jahr noch totgesagt wurde, so rasch wieder in Saft und Kraft steht?“
Antwort: ,,Die Transportmengen sind schneller als erwartet gestiegen, und die Frachtraten sind seit dem Frühjahr wieder gut auskömmlich. Aber wir haben auch aus eigener Kraft zu den Verbesserungen beigetragen. Für 2010 wurden Einsparungen von rund 800 Millionen Euro realisiert. (...) Für das laufende Jahr haben alle Mitarbeiter ganz ohne Murren auf fünf bis 20 Prozent ihres Gehalts verzichtet. Das zeigt die Solidarität zum Unternehmen.“
Das ist nüchtern und brutal (ungeschliffen, roh).
Auch Schiffe und Container werden nicht mittels glänzender Gewinne über die Meere geschippert, sondern durch Arbeit und mit rußigem Treibstoff. Die Inszenierung alternativlos knapper Kassen - aufgeführt, um ebenso Unzufriedene wie Anspruchsvolle einzuschüchtern - ist ein durchschaubares Verwirrspiel.
Reell ist dagegen mehr soziale Bewegung in der Stadt: ,,Bildung und Kultur für Alle - Geld ist genug da!“ war das Motto einer Demonstration von Aktiven, aus der Uni, unter Beteiligung anderer Hochschulen, der Theater- und Museumsmacher sowie Gewerkschafter anläßlich der Neuwahlentscheidung der Bürgerschaft am 16. Dezember 2010. Selbst nach Polizeiangaben stapften 2.500 Demonstrierende durch das Schneetreiben.
Eine solidarische Kultur oder weiter unsoziale Geschäftsmäßigkeit ist die stadtpolitische Kontroverse, die so zum Ausdruck kommt und mit den Bürgerschaftswahlen am 20. Februar noch lange nicht entschieden ist. Nicht zuletzt die Gebührenfreiheit der Bildung ist eine Positions-, Perspektiv- und Entwicklungsaufgabe, die kontrovers zu den Gewinngroßen samt ihren freudlosen Sachwaltern in der Stadtverwaltung durchgesetzt werden muß. Denn die geistig-kulturelle Aneignung der Welt durch die Mehrheit befähigt die scheinbar Ohnmächtigen, die ganze Chose selber in die Hand zu nehmen. Sozialzerstörung und andere Kriege müssen nicht sein, wenn der Mensch die Möglichkeiten erkennt, mit Seinesgleichen gesellschaftlich einzugreifen.
Das Zusammenwirken von Bewegung, studentischer Interessenvertretung, akademischen Gremien und Personalräten - im Verein mit kritisch Engagierten aus allen gesellschaftlichen Bereichen - für Bildung, Kunst und Wissenschaft als sozialkritische und kulturbildende Praxis Aller kann dafür beispielgebend weiterentwickelt werden.
Der erste Schritt ist gemacht.
Nun: Weiter, mit Lust!
Dokumentiert
Rede von Olaf Walther, stud. Vertreter im Akademischen Senat für das BAE! zur Demo ,,Bildung und Kultur für Alle - Geld ist genug da!“ am 16.12.2010
Wider die Verneinung: Bildung und Kultur für Alle!
Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger -
Mephistopheles, der Teufel, verkleidet sich in Goethes Dichtung als der Gelehrte Faust und tritt so in schlechter Absicht dem Schüler mit folgendem Vorhaben entgegen:
,,Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
So hab' ich dich schon unbedingt -“
Dem verkleideten Teufel gelingt auf diese Weise, den gutwilligen Schüler vom Studium abzuhalten. Derart betrogen zieht er ab.
Politisch teilen sich zur Zeit drei Personen die Rolle des Teufels: Herr Ahlhaus, der emsige Rechtsaußenverteidiger; Frau Gundelach, die die strenge Bachelortante aus dem Passivhaus gibt; Herr Stuth, die Fliege mit der ,,Vision“ der Elbphilharmonie“ und der erstaunlichen Ignoranz für alle anderen kulturellen Einrichtungen.
Alle Drei eint in ihren unterschiedlichen Rollenfacetten das folgende Bekenntnis des Mephistopheles:
,,Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär's, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.“
Rabiate Kürzungspolitik (nicht bei der HSH-Nordbank, möglicherweise bald Deutsche Bank), stur fortgesetzte Studiengebühren (geringe Steuern, bei denen, die es haben), Strangulierung wertvoller kultureller Einrichtungen (große Operntöne am Hafen) - bilden das eigentliche Element a-sozialer Politik und Un-Kultur der verantwortlichen Konservativen in dieser Stadt. Der Teufel ist von Natur aus schwarz.
Dagegen stehen die berechtigten Ansprüche des Schülers, der Bevölkerung:
Der Schüler will - und er soll es können - lernen. Er will sich gemeinsam mit anderen schlau machen und das Erworbene zum allgemeinen Nutzen anwenden.
Der Schüler will - und er soll es können - sich bilden. Er braucht Kindergärten, Häuser der Jugend, Schulen, Hochschulen, Theater, Museen und offene Sportstätten. Koof mich hat hier nichts zu suchen.
Bildung und Kultur sind Lebensmittel für den Menschen, daran bemißt sich nicht zuletzt die Qualität einer Gesellschaft. Dafür ist zu kämpfen.
In ,,Faust Zwei“ heißt es:
,,Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß.
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht'ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.“
Auf diese Weise ist das Theater gut mit dem Leben verbunden.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.