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Zum Geleit V

Geist, in der Tat!

Einige Anmerkungen zur verbindlichen Freiheit

1) Die praktische Relevanz der Maßstäbe

"Die Sinngedichte an den Leser
Wer wird nicht einen Klopstock loben?
Doch wird ihn jeder lesen? - Nein.
Wir wollen weniger erhoben
Und fleißiger gelesen sein."

G.E. Lessing, "Sinngedichte", 1753-1771.

In ihrem Leitbild hat die Universität Marksteine für ihre eigene, in der Gesellschaft verankerte und wirkende Entwicklung gesetzt: Eine gerechte, demokratische und friedliche Welt; entwicklungsfreudige und sich einmischende Wissenschaften; internationale Offenheit und freimütiger Zugang zu den Lerngebieten; verantwortungsvolle Mittlerin zwischen Theorie und Praxis; dienend dem Wohl der Menschen, in der Erfüllung öffentlicher und gesellschaftlicher Aufgaben - in der Einheit ihrer Vielfalt der Fächer sei die Universität "Tor zur Welt der Wissenschaft".
Ist dies unter der Drägerknute dem bänglichen Vergessen anheimgestellt?
Kommt in turbulenten Zeiten die Humanität in die Schublade?
Mag das Gute (von 1998!) "schon ganz mit historischem Edelrost überzogen" sein?

2) Die Bedeutung der Welt

"Da eilt, was Hände hat, sich einzurichten.
Es regte sich geschäftig jung und alt.
Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,
Der Junker birschte durch den Wald.
Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,
Der Abt wählt sich den edeln Firnewein,
Der König sperrt die Brücken und die Straßen
Und sprach: der Zehente ist mein."

Friedrich Schiller, "Die Teilung der Erde".

Die Welt hält viele zu lösende Probleme bereit.
Das Glück wohnt nicht auf den Spitzen der Börsenkurse.
Der Alltag kennt keine wahren Fluchtreviere.
Vor die Wahl sind Alle gestellt: Teil des Problems oder Teil der Lösung?
Humanität ist grenzenlos.

3) Getätigte Aussichten

"Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren,
Im Herzen kündet es laut sich an:
Zu was Besserm sind wir geboren.
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht."

Friedrich Schiller, "Hoffnung".

Die Überwindung des gegenwärtigen Wahns lagert, keimhaft, im jeweils eigenen Unbehagen, das nicht ruht.
Nein zu sagen ist der Beginn der Alternative.
Jede Äußerung in diesem Sinne ist relevant.
Die Konsequenz des Wortes ist die Tat.
Wahlverwandtschaften werden zunehmend deutlich und Erfahrung.
Die Erinnerung an bessere Zeiten (in memoriam)
oder gewonnene Einsichten
oder bewegende Taten
oder verkniffene Wahrheiten
oder verpatzte Einsätze
oder bessere Zeiten (in spe)
ist ein befreiendes Ereignis.

4) Die Kraft der Aufklärung

"Nur das geistige Gewissen hält Stand - wenn ein gefühls- und gewohnheitsmäßiges Pflichtgefühl schon längst nachläßt."
Heinrich Mann, "Die Macht des Wortes", 1935.

Die Krise der Zivilisation verlangt geistige und demokratische Souveränität.
Die Wissenschaften sind ein Terrain geistig-kulturellen Erbes und mögliches Fundament für positive Zukunftsentwürfe, die ein Contra bilden zu dem fatalistischen mainstream, der hinter den gleißenden Verheißungen einer hetzenden Welt vernehmlich murmelt.
Die Einsicht in Zusammenhänge, Ursachen, Verlaufsformen, Widersprüche und alternierende Möglichkeiten der Entwicklung einer problematischen Welt ist die erste - auch demokratische - Aufgabe einer geistigen Institution. Einmischung kann bewegen und der Vielzahl nützlich sein. Wer für diese Einrichtung politisch gewählt worden ist, hat dafür eine besondere Verantwortung. Ist die Entscheidung dafür getroffen, ist Zeit dafür immer vorhanden.

Golnar Sepehrnia, Olaf Walther


Veröffentlicht am Samstag, den 1. Januar 2005, http://www.harte--zeiten.de/dokument_331.html