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Markt & Knecht - die Pferdestall GmbH

Studentische Kultur als Standortfaktor?

,,Kauf' mich, nimm' mich, knack' mich, dusch' mich, schluck' mich, hack' mich, reiß' mich auf!
Trag' mich, grabsch' mich, pack' mich, nasch' mich, schlürf' mich, zeig' mich, setz' mich auf!
Koch' mich, brat' mich, schwitz' mich, crem' mich, heiz' mich, spreitz' mich, steck' mich ein!
Seif' mich, greif' mich, schleif' mich, keif' mich, rotz' mich, glotz' mich, zieh' mich an!
Wünsch' mich, lieb' mich, drück' mich, knick' mich, lutsch' mich, friß' mich, leck' mich aus!
Schlemm' mich, schmatz' mich, mix' mich, fix' mich, bitt' mich, küß' mich, quetsch' mich aus!“

Michael Batz: ,,Der Hamburger Jedermann“

,,Wachsende Stadt“ ist das Motto des Hamburger Rechtssenates zur Realisierung wachsender Profite. Durch Privatisierung und Kommerzialisierung soll zugunsten des ortsansässigen Kapitals die unmittelbare Marktverwertung in allen gesellschaftlichen Bereichen Einzug erhalten. Hierfür wird der ,,Standortfaktor Kultur“ als entscheidendes Mittel zum Zweck erachtet: ,,Die Wahl des Wohn- und Arbeitsortes, dies bestätigen Befragungen des Führungspersonals von Unternehmen, hängt heute weit mehr als früher auch von der kulturellen Attraktivität einer Stadt ab. Der Anspruch, niveauvoll unterhalten zu werden wächst. [...] Der Senat beauftragt die Kulturbehörde (federführend) [...] gemeinsam mit der Behörde für Wirtschaft und Arbeit, zu prüfen wie im Rahmen einer integrierten Marketingstrategie die Bedeutung des Standortfaktors Kultur werbewirksam eingesetzt werden kann.“ (Aus ,,Wachsende Stadt“, Abschnitt ,,Kulturmetropole und Tourismus“) Kultur ist, wenn die Kasse klingelt!

Die Pferdestall-GmbH vertritt diese Kulturkonzeption für die Universität. Sie bieten Musik, Tanz und Alkohol auf dem Campus, wollen die ,,Belebung“ des Pferdestall-Innenraumes durch ,,Events“ und ,,Bands“ und haben sich die Bewirtschaftung im Audimax - in artikulierter Konkurrenz zu Studentenwerk und studentischen Cafés - unter den Nagel gerissen. Kultur ist für sie wertfrei und dient dem ,fun for fit‘ - für das Vergessen und die Befriedung: Wer hat nicht statt Studiengebühren, Exmatrikulationen, Fachbereichsund Studiengangsschließungen, Prüfungsstress und Geldsorgen lieber Bier und Musik im Kopf?! Spaß ist, wenn man trotzdem lacht. So wird die ,,Ware Mensch“ für das reibungslose Funktionieren in der Konkurrenz wiederhergestellt: Markt & Knecht.

Geplant ist die GmbH von langer Hand. Seit Jahren wird ihre Gründung systematisch vorbereitet, wofür die Pferdemägde und -knechte einigen Aufwand betrieben haben: um an die Gelder der Verfaßten Studierendenschaft heranzukommen, kandidierten sie auf verschiedenen ,,hochschulpolitischen“ Listen zum Studierendenparlament (Kulturkombinat, Medizinerliste, WiWi-Liste, Wohnheimliste). Die Verarschung der Studierenden durch Variationen von zielgruppenorientierten Tarnlisten war berechnetes Marketingkonzept für den Einzug in den AStA.

Die AStA-Beteiligung wurde zur Ansammlung des notwendigen Kapitalstocks durch kassierte Aufwandentschädigungen als Referenten, Honorarkräfte und Kulturkursleiter (die Pferdestall GmbH hat ein Grundkapital von 70 000 Euro) sowie für die notwendige Infrastruktur zur Initiierung des Projektes ausgenutzt. Zunächst als studentische Kultur aus dem Kulturreferat getarnt, konnten Verhandlungen mit der Unileitung über die Vergabe des Pferdestall-Innenraumes an die Verfaßte Studierendenschaft aufgenommen, notwendige Gutachten und Umbauarbeiten (z.B. für den Schallschutz) aus den Geldern des AStA finanziert, Bürostrukturen aufgebaut und die ,,Bewerbung“ des ,,Produktes Pferdestall“ eingeleitet werden.

Als das ,,Projekt“ ins Laufen kam, wurde ein Verein für die Rekrutierung neuer ,Marktknechte‘ und die Festigung der aufgebauten Strukturen sowie die Loslösung des Projektes aus dem AStA gegründet. Die privatwirtschaftliche GmbH-Gründung ist Instrumentalisierung pur: studentische Interessenvertretung als ,start-up‘ für die individuelle Karriere zur persönlichen Absicherung in Zeiten (mit-)forcierter Konkurrenz.

Allerdings, ganz alleine geht's noch nicht: So hat sich die Pferdestall-GmbH die Uni-Marketing-GmbH als Mitgesellschafterin ins Boot geholt. Die Uni-Marketing-GmbH wurde zum Zwecke des kommerziellen Werbens auf dem Campus gegründet, in der Hoffnung dem politisch forcierten Sparzwang durch das Eintreiben - reichlich vorhandener! - privater Gelder zu begegnen. Hier macht sich die Pferdestall-GmbH das Nachgeben der Universitätsleitung gegenüber dem Druck des Rechtssenates zunutze. Forciert wird damit auch auf Uni-Ebene die Kommerzialisierung und Privatisierung: Statt die Verbesserung von Lehr- und Lernbedingungen zu finanzieren, fließen universitäre Gelder in das privatwirtschaftliche Karriereprojekt.

Auch aus dem AStA mögen sich die GmbH-Betreiber noch nicht ganz verabschieden, da Finanzierung und Infrastruktur für das Absichern des Restrisikos bei der Verselbstständigung noch von Nutzen seien können. Die beteiligten Listen wollen mit ihrem Servicepaket aus Kommerzkultur, Karriere und neoliberaler Konkurrenz wieder in den AStA. Das gibt Applaus von den im Studierendenparlament vertretenen rechten Listen (der FDP-Jugend der LUSt, der Jura-Liste und dem CDU-Nachwuchs im RCDS). Johlende Profiteure der marktkonformen Kommerzialisierung der Verfaßten Studierendenschaft sind die Burschenschafter, Corpsstudenten und Verbindungsbrüder des RCDS. Sie können Auftrumpfen, wenn ihnen mit der als ,,studentische Kultur“ verkleideten ,,koof mich'“-Orientierung durch die Pferdestall-GmbH das rechte Geschäft der Verhinderung einer fortschrittlichen und oppositionellen Verfaßten Studierendenschaft erledigt wird. Stallknechte des Rechtssenates.

Der Gegenpart zur angestrebten Kommerzialisierung besteht in der bewußten, kritischen und kooperativen Aneignung gesellschaftlicher Widersprüche und Wirkungszusammenhänge in Bildung, Wissenschaft und Kultur für eine humanistische Gesellschaftsveränderung. Von diesem Verständnis sollte auch die Arbeit in der Verfaßten Studierendenschaft getragen sein. Ein AStA muß sich in klarer Opposition zum Rechtssenat begreifen. Dies ist entscheidende Voraussetzung für den wirkungsvollen Kampf gegen die Einführung von Studiengebühren, die Zerschlagung der Universität in Fakultäten, Entdemokratisierung, restriktive und selektive Studiengestaltung durch die Einführung von Bachelor-/Masterstudienabschlüssen, Auswahlverfahren und creditpoints sowie die forciert angestrebte Vermarktung der Wissenschaftsinstitutionen und ihrer Mitglieder. Studentische Interessenvertretung besteht darin, in diese aktuellen Auseinandersetzungen mit positiver Perspektive und Orientierung einzugreifen, und in Auswertung und produktiver Weiterentwicklung der studentischen Streikaktivitäten des letzten Semesters studentische Gegenwehr, als Teil außerparlamentarischer Bewegung zu initiieren. Hierfür ist ein fortschrittlicher AStA vonnöten.

Die Einheit von studentischer Interessenvertretung und positiver gesellschaftlicher Wirkungsabsicht - gegen die Zurichtung öffentlicher Institutionen und ihrer Subjekte auf kapitalkonforme Servilität, für den aufklärerischen und gesellschaftskritischen Einfluß der Mehrheit der Menschen zur Überwindung von Ausbeutung, Entfremdung und Konkurrenz - sollte bestimmend sein für die Programmatik studentischer Politik. Vernunft, Kritik und Aufklärung, gemeinsam angestrebt und entwickelt, sind entscheidende Bedingung für tatsächlich kulturvolle Entwicklung und die kulturelle Entfaltung der Menschen.

,,Rechtssenat und Pferdestall-GmbH sind - nicht nur - kulturell eine bekämpfenswerte Zumutung.“

V.i.S.d.P.: Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
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Veröffentlicht am Sonntag, den 2. Mai 2004, http://www.harte--zeiten.de/artikel_255.html