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"Dann gibt es nur eins!"
„Versuch es
Stell dich mitten in den Regen,
glaub an seinen Tropfensegen
spinn dich in das Rauschen ein
und versuche gut zu sein!
Stell dich mitten in den Wind,
glaub an ihn und sei ein Kind –
laß den Sturm in dich hinein
und versuche gut zu sein.
Stell dich mitten in das Feuer,
liebe dieses Ungeheuer
in des Herzens rotem Wein –
und versuche gut zu sein!"
Wolfgang Borchert, etwa 1946.
„Als der Krieg aus war, kam der Soldat nach Haus. Aber er hatte kein Brot. Da sah er einen, der hatte Brot. Den schlug er tot.
Du darfst doch keinen totschlagen, sagte der Richter. Warum nicht, fragte der Soldat.“
Wolfgang Borchert, „Lesebuchgeschichten“, 1947.
„ABENDBLATT: Warum müssen wir Borchert lesen?
WINTER: Man muss Borchert nicht unbedingt lesen, aber man sollte ihn lesen. Lässt man sich auf seine Schreibweise ein, freut man sich an den gezielten Wortschöpfungen, Wiederholungen, Anlauten und an der rhythmischen Sprache und spürt, wie der Autor versucht, den Swing, der dem Lebensgefühl seiner Generation entsprach, schreibend nachzugestalten. Zugleich ist Borchert durch Krankheit und Todesdrohung gezwungen, sich mit seinen Erfahrungen in Diktatur, Krieg und Gefängnis auseinanderzusetzen. Vor allem seine Darstellung der Traumata von Tätern und Opfern bleibt dabei sehr aktuell. Man denke zum Beispiel an die aus Afghanistan jetzt abziehenden Bundeswehrsoldaten. Zur Identifikation lädt dabei Borcherts Blick auf den Einzelnen, den einfachen Soldaten, seine Ängste, falsche Euphorie und seine Schuldgefühle ein. Und die Erfahrung der Heimatlosigkeit des damaligen Kriegsheimkehrers findet sich heute ganz aktuell zum Beispiel bei vielen Flüchtlingen, die zu uns kommen.“
Prof. em. Hans-Gerd Winter, Vorsitzender der Internationalen Wolfgang-Borchert-Gesellschaft, im Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“, 15.5.2021.
Der Autor Wolfgang Borchert (geb. 20. Mai 1921 in Hamburg – gest. 20. November 1947 in Basel im Clara- Spital) war Menschenliebhaber, Lebens- freund und Jazz-Fan, als Schauspieler, früher Autor und Pazifist schon fast natürlich ein strenger Gegner von Diktatur und Krieg. Somit – nach der Befreiung am 8. Mai 1945 – ebenso wider jegliches Vergessen des organisierten Grauens oder gar die Wiederkehr der Barbarei. Lästerliche Äußerungen zu Nazis und Nazismus sowie eine vermeintliche Selbstverletzung brachten ihm durch die gnadenlosen Machthaber Gefängnis und den Fronteinsatz in der Sowjetunion. Vieles davon wurde in intensiven Kurzgeschichten, dem Heimkehrstück "Draußen vor der Tür“ sowie seinem letzten fulminanten Antikriegsgedicht „Dann gibt es nur eins / Sag nein!“ (häufig vorgetragen bei Aktionen der Friedensbewegung) beeindruckend zum Ausdruck gebracht. Die Literatur am Puls der Zeit.
Pazifismus und Humanismus bildeten auch eine persönliche und literarische Einheit gegen die keineswegs hinreichende positive und kritische Konsequenz aus Diktatur und Krieg. Auch hundert Jahre nach seiner Geburt ist noch Vieles offen: Krieg, Gewalt, Elend, organisierte Dummheit, enge Gesellschaften und das Vergessen – des Negativen wie des Positiven – sind bislang noch nicht verbannt, verlassen oder über- wunden bzw. aktuell verwirk- licht.
Deshalb lohnt sich – immer wieder! – der intensive Blick in die Bücher – in die Ge- schichte und in die Literatur. Sie geben uns Einsicht, Aussicht, Beispiel und das Bewußtsein uneingelöster Möglichkeiten für die Bildung von schöner Haltung, klarer Orientierung, neuer Selbstgewißheit und gemeinsamem Handeln. Lesen und Erinnern schaden nie – für eine bessere Zukunft in der Gegenwart. Zum Nein gehört immer auch ein Ja. Daran ist zu bauen. Gute Ansprüche verwelken nicht. Sie sind die Kunst des Lebens.
Dissonanzen - Wolfgang Borchert (1921-1947) Eine Dauerausstellung in der Stabi
Im 100. Geburtsjahr Wolfgang Borcherts hat die Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek ein besonderes Geschenk geschnürt:
Am 11. Mai 2021 wurde im Hauptgebäude der Bibliothek die „Borchert-Box“ eröffnet, ein Glaskasten mit zwei Räumen, in denen die neue Dauerausstellung zu Leben und Werk des berühmten Autors Platz findet.
Die Ausstellung im Informationszentrum im ersten Stock ist zugänglich im Rahmen der Öffnungszeiten der Stabi und kann auch virtuell besucht werden. Weitere Informationen unter
borchert.sub.uni-hamburg.de