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Arbeit & Leben

Eine Neubestimmung

„Die Menschen, die das Leben durch die Covid-19-Pandemie hindurch am Laufen halten, sind der lebende Beweis dafür, dass Arbeit nicht auf ein bloßes Gut reduziert werden kann. Die Sorge um die menschliche Gesundheit und die Versorgung der Schwächsten kann nicht allein von Marktkräften geregelt werden. Sonst laufen wir Gefahr, die Ungleichheiten so weit zu verschärfen, dass wir das Leben der am stärksten benachteiligten Gruppen aufs Spiel setzen. (...) Gewiss, wir müssen die Kluft der Einkommensungleichheit schließen und die Mindestlöhne erhöhen – aber das allein reicht nicht aus. Nach den beiden Weltkriegen war der unbestreitbare Beitrag der Frauen zur Gesellschaft ein wichtiger Faktor dafür, ihnen das Wahlrecht zuzugestehen. Jetzt ist es aus den gleichen Gründen an der Zeit, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Stimmrechte in den Firmen zu verleihen. (...) Diese Krise zeigt auch, dass nicht Marktmechanismen allein das Sagen über die Entscheidungen haben können, die für unsere Gesellschaften so zentral sind. (...) Bestimmte strategische und kollektive Bedürfnisse müssen gegen Rentabilitätsüberlegungen immun gemacht werden. (...) Ein Weg, um dies zu erreichen, ist die Schaffung einer Arbeitsplatzgarantie ("job guarantee"). Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erinnert uns daran, dass jeder Mensch "das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit" hat. Eine Arbeitsplatzgarantie würde nicht nur jeder Bürgerin und jedem Bürger Zugang zu einer Arbeit bieten, die ein Leben in Würde ermöglicht, sie würde auch unsere kollektive Fähigkeit entscheidend stärken, die vielen drängenden sozialen und ökologischen Herausforderungen zu bewältigen, vor denen wir gegenwärtig stehen.“

„Arbeit – demokratisieren, dekommodifizieren [wieder angenehm gestalten], nachhaltig gestalten“, ein Manifest für ein Wirtschaften nach der Pandemie, unterzeichnet von über 3.000 WissenschaftlerInnen aus aller Welt und über 600 Hochschulen. Zitiert nach: „ZEIT ONLINE“, 15.5.2020.

„Die Wirtschaftskrise, in die natürlich niemand aus eigener >Schuld< geraten ist, könnte Anlass sein, darüber nachzudenken, ob betriebswirtschaftliche Vernunft in guten und in schlechten Zeiten ausreicht, oder ob es doch nicht ganz gut ist, dass es einen Staat gibt, der, in aller hier nun nicht gebotenen Bescheidenheit, bereit ist zu helfen.“

Edo Reents, „Ein Bund fürs Leben / Was hat der Staat in der Wirtschaft zu suchen?“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 25.5.2020, S. 11.

Selbst in der „Zeitung für Deutschland“, immerhin im Feuilleton (siehe zweites Zitat), muß respektvoll und realistisch eingeräumt werden, daß nicht alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens dem Profitprinzip folgen können und der Staat, sobald er finanziell unterstützend eingreift, auch die Einhaltung fiskalischer, sozialer und ökologischer Maßstäbe verlangen kann.

Die „neue Normalität“ ist keineswegs zufriedenstellend. Auch die soziale, politische und kulturelle Lage vor dem „Shutdown“ war alles andere als rosig. Eine Idylle gab’s nicht und erscheint auch nicht als erstrebenswert. Wer sich erhebt, sieht weiter und entdeckt Besseres und andere. Die Kriege sind zu beenden, die Rüstungsexporte einzustellen, eine zivile Konfliktregulierung ist zu realisieren, Rüstungskonversion in der Produktion zu erwirken, echte Entwicklungshilfe zu unternehmen, ein vernünftiges Verhältnis zur natürlichen Umwelt herzustellen; die Arbeit ist in diesem Sinne zu demokratisieren (siehe erstes Zitat), die Wissenschaften sollten nachhaltiger in gesellschaftliche Prozesse eingreifen (siehe ebenfalls erstes Zitat), das Gesundheitssystem ist wieder in die öffentliche Hand zu bringen und auszubauen und der Staat sollte seine Funktion als nützlicher Investor respektive als hilfreicher Regulierer (sozial, ökologisch und friedenspolitisch) wahrnehmen. Damit dies keine frommen Wünsche bleiben, bedarf es des gemeinsam assoziierten Engagements der Vielen in Parteien, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und in den Gremien der Interessenvertretung. An den Hochschulen: In den Personalräten, der Verfaßten Studierendenschaft sowie in der Akademischen Selbstverwaltung. An jedem Ort und zu vermehrter Gelegenheit.

Wir schaffen das. Neue Klarheit ist zu gewinnen. So sind viele Stimmen zu hören.

„Katharina Thalbach: Ich frage mich schon: Warum gelten Schauspieler nicht als systemrelevant? Wenn nicht so viel auf Konserve läge und im Fernseher zu sehen wäre, würden die Leute doch durchdrehen. Und wer hat dafür gesorgt, dass so viel da ist? Wir, die Schauspieler, wir Künstler. Oder anders gesagt: Was ist denn heute noch übrig von der Steinzeit? Die Höhlenmalerei, Kunst. Ich denke also, Kunst ist lebenswichtig.“

Katharina Thalbach, zusammen mit ihrer Tochter (Anna) und ihrer Enkelin (Nellie) im „SPIEGEL-Gespräch“, „SPIEGEL“ Nr. 22/23.5.2020, S. 118-121, hier S. 118.

Politik muß kein „schmutziges Geschäft“ sein; Kunst und Wissenschaft sind kulturelle Lebensmittel; die Satire hilft, heitere Distanz bzw. gemeinsame Souveränität zu gewinnen:

Verheißung.

(Heinrich Heine, 1842.)

Nicht mehr barfuß sollst du traben,
Deutsche Freiheit, durch die Sümpfe,
Endlich kommst du auf die Strümpfe,
Und auch Stiefeln sollst du haben!

Du bekommst sogar zu essen –
Eine große Zukunft naht dir! –
Laß dich nur vom welschen Satyr
Nicht verlocken zu Excessen!

Auf dem Haupte sollst du tragen
Eine warme Pudelmütze,
Daß sie dir die Ohren schütze
In den kalten Wintertagen.

Werde nur nicht dreist und dreister!
Setz’ nicht den Respect bei Seiten,
Vor den hohen Obrigkeiten
Und dem Herren Bürgermeister!