HomePublikationen › Flugblatt von Liste LINKS und harte zeiten mit SDS* vom

Das Richtige tun

Ein persönlicher Weltmaßstab

„Tatsächlich ist Covid-19 in eine Welt hineingefahren, die längst in der Krise steckte, in vielen Krisen gleichzeitig. Schon vergessen?
Die rechtsstaatlich verfassten Demokratien sahen sich vor Corona von äußeren und inneren Feinden attackiert, von internationalen Populisten wie von nationalen Extremisten. Die multilaterale Nachkriegsordnung mit ihren vielen Weltorganisationen war nur noch ein Schatten, teils mutwillig zerstört vom Mann im Weißen Haus, teils zerfallen durch das Desinteresse großer Staaten. Die internationale Staatengemeinschaft sah sich außerstande, Kriege und Krisen beizulegen, die in Syrien, Afghanistan, im Jemen, in Mali, in Venezuela weiter lodern. Flucht, Vertreibung und Wanderung sorgten auf allen Kontinenten, und zumal zwischen Afrika und Europa, für immer neue menschliche Tragödien. Das kapitalistische Wirtschaften und Konsumieren wirkte wie in eine Dekadenzphase geraten. Das Internet und seine Plattformen entfalteten eine zersetzende Kraft, die weit in die Politik, in die Gesellschaft und bis in die Familien hinein wirkte. (…) Es gehen jetzt viele große Fragen um. Aber sie zielen nicht mehr auf Gott. Sie lauten jetzt: Wieso zerstört der Mensch, wieso zerstören wir sehenden Auges unsere Lebensgrundlagen? Wieso sind wir - im Weltmaßstab - seit Jahren so unfähig, das Falsche zu lassen und das Richtige zu tun? (…)
Die Korrektur kann nun beginnen.“

Ullrich Fichtner, „Am Anfang war das Virus/Epochenbruch“, „SPIEGEL“ Nr. 17/18.4.2020 (Titel), S. 8-15, hier S. 11, 12 u. 15.

„Kultur markiere „die geistigen und sozialen Koordinaten einer Gemeinschaft“, so hat es die frühere Hamburger Kultursenatorin Christina Weiss einmal sehr klar zusammengefasst. Was also passiert nun, wenn diese Koordinaten sich langsam aufzulösen scheinen? (…) Der weitgehende Verlust des kulturellen Lebens mag nicht im Zentrum dieser Krise stehen – ein bloßes „First World Problem“ ist er trotzdem nicht. Kultur, man muss das Mantra wiederholen, ist nicht nur Unterhaltung, Freizeit und Ablenkung (wobei diese Funktionen – siehe Film und Buch – derzeit kaum zu unterschätzen sind). Kultur bedeutet auch die beständige Auseinandersetzung mit Werten, Ideen, Idealen, Widerständen, Visionen und Verfehlungen, bedeutet die permanente geistige und emotionale Erneuerung.“

Maike Schiller, Corona: „Ohne Kultur fehlen unserem Leben die Geschichten“ „Hamburger Abendblatt“ (Leitartikel), 17.4.2020, S.2.

„Weiche Faktoren“? „Systemrelevant“? Kunst, Kultur und Wissenschaft bilden das materielle geistige Erbe der Menschheit, sind Bestandteil des gesellschaftlichen Alltags, bauen Erkenntnisse und Orientierung, sind soziale Lebensmittel, schaffen – bestenfalls aufgeklärte und solidarische – Persönlichkeiten, Anschauung und Beispiel und beinhalten (noch) uneingelöste Potentiale zur Lösung von überindividuellen Problemen bzw. zur Überwindung der Mühsal der menschlichen Existenz. Erkenntnis, Ästhetik und exemplarischer Gemeinschaftssinn sind hier geschaffen und aneigenbar. – Ganz ohne kalten Geschäftssinn.

Die Initiative „Mehr Demokratie e.V.“ fordert, bei der medizinischen Überwindung der Corona-Pandemie, die demokratische Praxis zu sichern bzw. auszubauen:
„1. Die Parlamente sind legitimiert, zu entscheiden. Das muss so bleiben. 2. Verordnungen und Gesetze befristen 3. Parlamentarische Diskussion öffentlich führen 4. Beratungsgremien breit besetzen 5. Bürger einbinden 6. Transparenz sichern 7. Entscheidungen und deren Grundlagen müssen nachvollziehbar sein 8. Versammlungs- und Demonstrationsrecht erhalten 9. Freie Religionsausübung nicht pauschal unterbinden 10. Datenschutz beachten 11. Weltweit solidarisch sein 12. Den Umgang mit der Krise evaluieren.“

Darüber hinaus werden mehr und mehr begründete Äußerungen und Forderungen aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Medien, von Parteien, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen vernehmlich, die für die Beendigung von Kriegen, das aktive Erinnern der Geschichte mit Malus und Bonus, die Überwindung der (globalen wie länderspezifischen) sozialen Ungleichheit, für internationale Solidarität sowie die Beendigung des Raubbaus an der Natur und die Bewältigung der Klimakrise appellieren. Dabei ist das menschliche Leben in all seinen Dimensionen berührt. Hier sind Alle gefordert und können zur Überwindung der allseitigen Krise beitragen. Das gilt gleichfalls für die Hochschulen und ihre Mitglieder. Wir können und sollten damit beginnen. Über das Semester hinaus.

Verfassung der Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur *
(UNESCO)
– Präambel

Die Regierungen der Vertragsstaaten dieser Verfassung erklären im Namen ihrer Völker:

Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.

Im Lauf der Geschichte der Menschheit hat wechselseitige Unkenntnis immer wieder Argwohn und Misstrauen zwischen den Völkern der Welt hervorgerufen, sodass Meinungsverschiedenheiten nur allzu oft zum Krieg geführt haben.

Der große furchtbare Krieg, der jetzt zu Ende ist, wurde nur möglich, weil die demokratischen Grundsätze der Würde, Gleichheit und gegenseitigen Achtung aller Menschen verleugnet wurden und an deren Stelle unter Ausnutzung von Unwissenheit und Vorurteilen die Lehre eines unterschiedlichen Wertes von Menschen und Rassen+ propagiert wurde.

Die weite Verbreitung von Kultur und die Erziehung zu Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden sind für die Würde des Menschen unerlässlich und für alle Völker eine höchste Verpflichtung, die im Geiste gegenseitiger Hilfsbereitschaft und Anteilnahme erfüllt werden muss.

Ein ausschließlich auf politischen und wirtschaftlichen Abmachungen von Regierungen beruhender Friede kann die einmütige, dauernde und aufrichtige Zustimmung der Völker der Welt nicht finden. Friede muss - wenn er nicht scheitern soll – in der geistigen und moralischen Solidarität der Menschheit verankert werden.

Deshalb sind die Vertragsstaaten dieser Verfassung in dem Glauben an das Recht auf ungeschmälerte und gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle, auf uneingeschränktes Streben nach objektiver Wahrheit und auf den freien Meinungs- und Wissensaustausch einig und entschlossen, die Beziehungen zwischen ihren Völkern zu entwickeln, und zu vertiefen, um sie als Mittel zur Verständigung und zur Verbreitung möglichst vollkommener und wahrheitsgetreuer gegenseitiger Kenntnis ihrer Lebensweise zu nutzen.

Sie gründen deshalb hiermit die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), um durch die Zusammenarbeit der Völker der Erde auf diesen Gebieten den Weltfrieden und den allgemeinen Wohlstand der Menschheit zu fördern - Ziele, um derentwillen die Vereinten Nationen gegründet wurden und die in deren Charta verkündet sind.

* verabschiedet in London am 16. November 1945, zuletzt geändert von der 30. UNESCO-Generalkonferenz am 1. November 2001. (Neue deutsche Textfassung von 2001)