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Klar, gerecht und unterstützend

Zum Sinn und Nutzen einer Reform der Prüfungsordnungen

„Die Universität Hamburg versteht Wissenschaft als solidarische Bemühung, alle gesellschaftlichen und natürlichen Verhältnisse analytisch zu durchdringen, damit die Welt durch rationale Gestaltung in Frieden bewohnt und mit Vernunft genutzt wird. Alle Mitglieder der Universität sind Lernende. Das Universitätsstudium ist Teilnahme an diesem Wissenschaftsprozess. Es dient der Bildung mündiger Menschen, die auf wissenschaftlicher Grundlage verantwortlich für eine humane, demokratische und gerechte Entwicklung der Gesellschaft wirken. Das Studium soll in forschendem Lernen zur Bestimmung, wissenschaftlichen Bearbeitung und Lösung epochal-typischer Schlüsselprobleme beitragen. So fördert die Universität die kritische Aneignung von Grundlagen, Theorien und Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens. Aus der fachlichen Durchdringung ermöglicht das Studium problemlösungsorientierte, interdisziplinäre Kooperationen. So bereitet es auch auf berufliche Tätigkeitsfelder vor.“

Aus: Präambel des studentischen Vorschlags für eine Rahmenprüfungsordnung, April 2017.

Das klingt sperrig: „Rahmenprüfungsordnung“. Dahinter steckt folgendes: Die Uni regelt bisher die Prüfungen in den Fakultäten unterschiedlich. Dabei entsteht eine Menge Ungerechtigkeit. Während zum Beispiel fast überall die harten Fristenregelungen durch studentisches Engagement abgeschafft wurden, wird in der BWL weiterhin scharf exmatrikuliert. Um demokratische Gerechtigkeit herzustellen, muß eine gesamtuniversitäre Regelung getroffen werden.

Der studentische Vorschlag für eine „Rahmenprüfungsordnung“ wurde von Vertreter*innen aus 7 (von 8) Fakultätsräten, aus dem Akademischen Senat und dem AStA erarbeitet und vorgelegt (zu finden unter www.bae-hamburg.de/artikel_295.html). Er ist nur zwei Seiten lang. Auf seiner Grundlage wäre eine wirklich befreiende Studienreform möglich: Wissenschaft und Bildung als Prozess solidarischer Weltaneignung heißt für uns, dass ein erheblicher Teil des Studiums ein „Werkstattstudium“ sein soll. So könnte man sich in anderen Fächern umschauen und in Projekt- und Teamarbeit über mehrere Semester gesellschaftlich relevante Fragestellungen vertiefen. Ohne Noten- und Prüfungsdruck! In den konventionelleren Bereichen des Studiums müsste die Zahl der Prüfungen auch drastisch reduziert werden. Die Fristen für studienbegleitende Prüfungen und den Erwerb von Leistungspunkten sind überall abzuschaffen. Nichtbestandene Prüfungen sollten immer wiederholbar sein. Und ein einfaches ärztliches Attest sollte ausreichen, um sich zu „entschuldigen“. Die Anwesenheitspflicht gehört praktisch abgeschafft. (Sie ist übrigens längst weitgehend abgeschafft, es müssen nur alle auch darauf bestehen!)
Das alles wäre ein guter Anfang für eine konstruktive Änderung in der Universität. Sie ist nämlich nicht dafür da, Menschen zum Scheitern zu bringen, sondern sie auf ihrem Bildungsweg zu fördern! Sie sollte kein Ort der Angst und Anpassung, sondern solidarisch frei kooperierender, wachsender Persönlichkeiten sein!

Die Apologeten des „Homo Oeconomicus“ und andere Technokraten denken hingegen, Menschen „funktionieren“ nur durch Strafen und Belohnen, egoistisch und konkurrenzhaft, in strenger Hierarchie. Daher ist die Abwehr einer vernünftigen Studienreform von professoraler Seite, besonders aus der BWL, erheblich. Deren Studienordnung kann man ohne Übertreibung als kulturelle Gewalt bezeichnen; schon der Ton ist rein anordnend. Das Leiden von Studierenden ist in diesem Bereich besonders auffällig.

In diesem Spannungsfeld zieht sich nun seit einem Jahr die Diskussion um eine gemeinsame universitäre Prüfungsordnung. Es kommt darauf an, daß mehr und mehr Studierende, Fachschaftsräte, Lehrende und mit Studierenden betraute Verwaltungskolleg*innen ihr Bedürfnis an Bildung, Wissenschaft und einem kollegialen produktiven Miteinander gegen enge Bedingungen zum Ausdruck bringen.

Am Donnerstag diskutiert der Akademische Senat über eine Rahmenprüfungsordnung. Es wird nicht der Weisheit letzter Schluß sein, aber unter hoher Beteiligung einer kritischen Öffentlichkeit vielleicht ein sinnvoller Beginn.