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Kostenfaktor Buch?
oder
Die Vandalen kommen!

,,Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär's, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.“

Johann Wolfgang Goethe, Faust (Erster Teil), 1808.

Der Mensch braucht ,,die Katastrophe“ nicht, um zu lernen. Es gibt auch Bücher (strukturierte Erfahrungen, Einsichten, Ansichten und Aussichten).

Um so besinnungsloser ist es, die Vorgaben der gescheiterten Politik von Kommerzialisierung und Kürzung weiter zu verfolgen. So geschieht es aber derzeit in den Bibliotheken der Uni Hamburg. Hier werden gnadenlos bürokratisch aus allen Fachbibliotheken jene Bücher entfernt, die am gesamten Campus mehr als einmal in der StaBi und außerdem in einer einzigen Fachbibliothek vorhanden sind. (Manche ,,Lehrbücher“ sind von dieser Dogmatik ausgenommen.) Containerweise werden derzeit Bücher weggeschmissen, verscherbelt und verschenkt, die Bestände dezimiert und zentralisiert, öffentliches Eigentum verschleudert und vor allem: Kultur zerstört.

Simpel: In einer Massenuniversität sind Mehrfachbestände von Literatur und Quellen unverzichtbare Grundlage des Studiums - erst recht bei strengen Ba/Ma-Fristen für Hausarbeiten. Gibt es denn nicht schon genug Gerenne?

Mit der ,,Dubletten“-Vernichtung wird faktisch Fachidiotie gegen kritische und interdisziplinäre Wissenschaft gesetzt. Juristen würden, nur zufällig in der Germanistik vorbeikommend, von Tucholskys Satiren auf die deutsche Justiz lesen können. Historiker müßten künftig auf Analysen von Wolfgang Abendroth verzichten, weil der Politische Wissenschaftler in den ,,Pferdestall“ verbannt würde. Müssen dann die Arbeiten von John M. Keynes als wirtschaftswissenschaftliche Antiquitäten aus Philosophie oder Soziologie verschwinden? Pädagogen sollten folglich die kritische Auseinandersetzung mit Derrida oder Freud als Wege- und Warteaufgabe in Erinnerung behalten. Physik und Mathematik kämen ganz ohne Philosophen und Geowissenschaft ohne Sozialwissenschaftler aus. Und die Entwicklung (oder Deformation) einer Wissenschaft, nachvollziehbar anhand verschiedener Ausgaben und Auflagen wissenschaftlicher Werke, bliebe in den Magazinen zentraler Leihstätten verborgen.

Mit dieser Ein-Buch-Politik wird negiert, daß ein Buch je nach fachlichem Zusammenhang unterschiedliche Bedeutung hat. Es wird verneint, daß Lesen bildet und dabei Freude macht, daß Bibliotheken nicht nur Aufbewahrungsorte, sondern wissenschaftliche Einrichtung der Bildung und kulturellen Überlieferung sind, in denen soziale Begegnungen Erkenntnisse befördern. Verdrängt wird, daß diese Bücher auch kulturelle Werte von hoher Dauer und erheblichem Gebrauchswert im Besitz der Öffentlichkeit und im übrigen Ausdruck und Überlieferer von 5.000 Jahren menschlicher Kulturgeschichte sind. Das ersetzt kein E-Book.

Wer Bücher wegschmeißt, hat kein förderliches Verhältnis zur menschlichen Zivilisation bzw. ihrer gedanklich gestützten Entwicklung.

Die Monotonisierung geht zurück auf den Output-Fetisch neoliberaler Politiker, mit dem alle wissenschaftlichen Einrichtungen zugerichtet werden sollen. Man sollte damit schleunigst Schluß machen und gemeinschaftlich nach Mitteln, Räumen und qualifiziertem Personal für eine produktive kooperative Entwicklung der wissenschaftlichen Bibliotheken - mit spezifischer Gewordenheit, Kultur und Aufgaben suchen.

Eine ,,Neuausrichtung“ in der Wissenschaftspolitik hat hier eine sinnvolle Aufgabe.

Lesende, kämpft! Keine Kostenrechnung kann den Wert dessen ermessen. Wer liest, realisiert ihn dennoch. Und: Wer lesen will, sollte davon sprechen.

V.i.S.d.P.: Olaf Walther, Golnar Sepehrnia & Christian Sauerbeck, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: FachschaftsBündnis - Aktive für demokratische und kritische Hochschulen,
harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
und Liste LINKS - Offene AusländerInnenliste . Linke Liste . andere Aktive
Veröffentlicht am Mittwoch, den 27. April 2011, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1035.html