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Der Frieden beginnt mit Wahrheit

,,Letztlich ist auch unsere eigene Geschichte ein deutlicher Hinweis darauf, dass derartige Einsätze notwendig sein können. Denn ohne die Bereitschaft der USA in den Krieg gegen Hitler-Deutschland einzutreten, könnte es sein, dass Menschen meiner Generation in Westdeutschland unter Hitler oder Stalin groß geworden wären.“
Sigmar Gabriel, SPD-Vorsitzender, Einführung zum Afghanistan-Hearing, 22. Januar 2010.

Unter dem Druck einer kriegskritischen Öffentlichkeit diskutiert nun die offizielle SPD ihre Position zum Krieg gegen Afghanistan, den sie seit über acht Jahren mit legitimiert. Dafür wird noch einmal die Geschichte mächtig moralisch strapaziert. ,,Wir Deutschen“ haben mit dem lieben Onkel aus Amerika gegen Hitler und Stalin gekämpft. - Oder waren nicht doch die USA und die Sowjetunion die Kernmächte einer internationalen antifaschistischen Allianz? Egal. Aus Dankbarkeit befreien wir jetzt mit Uncle Sam Afghanistan. Denn das ist bekanntlich (auch) ein hochindustrialisiertes und militarisiertes Reich auf dem Wege ideologisch vorbereiteter, industriell organisierter, diktatorisch durchgesetzter, rassistisch legitimierter Welteroberung und systematischer Ermordung von etlichen Millionen Menschen.
Na gut, nicht ganz, aber: ,,Für unserer eigene Sicherheit, für unsere eigenen nationalen Interessen und aus humanitären Gründen sowie wegen der besonders sensiblen strategischen Lage kann der internationalen Gemeinschaft Afghanistan nicht egal sein.“ Sagt der Sigmar, der Erzengel. Wahrlich die Motive sind edel und gut.
Fakt ist, daß der Krieg gegen Afghanistan von G.W. Bush schon vor den Anschlägen auf das World Trade Center erwogen wurde, weil die Taliban-Regierung eine Gas-Pipeline nicht mit amerikanischen, sondern mit argentinischen Investoren bauen wollten. Tatsache ist auch, daß Afghanistan für amerikanische Administration und Geschäfte im Kampf um Ressourcen zur Isolation Irans und Zurückdrängung Chinas ein wichtiges Handlungsfeld ist. Auch hat das Land eine bedeutsame Lage zwischen Iran, Rußland, China, Pakistan und Indien - manche sprechen vom größten Flugzeugträger der Welt.
Tatsache ist zudem, daß die Rüstungsindustrie unvorstellbare Extraprofite durch diesen Krieg einfährt: In den USA sind dafür zusätzliche 344 Mrd. Dollar aus dem Staatssäckel geflossen. In Deutschland sind es mittlerweile ca. 820 Mio. Euro ,,einsatzbedingte Zusatzkosten“ für ein Jahr. Die BRD ist auch der viertgrößte Handelspartner Afghanistans, nach den USA und den Anrainern Pakistan und Indien. Die Aufstockung der Truppen von 5.000 im Jahr 2003 auf nunmehr bald 100.000 Soldaten hat das Gegenteil einer sogenannten Stabilisierung herbeigeführt. Sogar gemäßigte offizielle Schätzungen gehen von bereits etwa 1.000 Kriegstoten monatlich aus. Die Zahl der Anschläge auf die Besatzer nimmt stetig zu. Etwa 75 Prozent aller Terroranschläge richten sich eindeutig gegen ausländische Militärs bzw. gegen die als militärischer Puffer herangezüchteten einheimischen Truppen, also gegen die kriegführenden Parteien. Es ist offenkundig, daß diese Gewalt nur durch einen Truppenabzug und Demilitarisierung beendet werden kann.
Das größte Elend bringt der Krieg, indem er seine zivile Alternative verdrängt und verunmöglicht. Deshalb haben bis heute drei Viertel aller Afghanen keine Zugang zu sauberem Wasser und ist jedes dritte Kind in Afghanistan unterernährt.
Nur die sofortige Einstellung des Krieges kann einen Übergang zu einer zivilen Entwicklung ermöglichen. Die frei werdenden Mittel müssen gezielt, dezentral und koordiniert für die Beseitigung aller Kriegsschäden, für sinnvolle Arbeit, für Bildung statt militärischer Ausbildung und für vernünftige soziale Lebensgrundlagen eingesetzt werden - unter größter demokratischer Selbstverantwortung der afghanischen Bevölkerung.
Die Gewalt ist die dienende Gefährtin der Geschäfte.
Internationale Solidarität - in Wort und Tat - legt ihr das Handwerk.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Mittwoch, den 27. Januar 2010, http://www.harte--zeiten.de/artikel_929.html