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Ein Bundesbanker versucht, den Tümpel der Vorurteile zu fluten

,,Die Idee von der Rasse ist der Versuch von einem Kleinbürger, ein Adeliger zu werden. Er kriegt mit einem Schlag Vorfahren und kann auf was zurück- und auf was herabsehen. Wir Deutschen kriegen dadurch sogar eine Art Geschichte. Wenn wir schon keine Nation waren, können wir wenigstens eine Rasse gewesen sein. An und für sich ist der Kleinbürger auch nicht imperialistischer als der Großbürger. Warum auch? Aber er hat ein schlechteres Gewissen und braucht Entschuldigungen, wenn er sich ausbreitet. Er haut nicht gern jemandem mit dem Ellenbogen in den Bauch, wenn es nicht sein Recht ist. Er hat gern, daß es seine Pflicht ist, wenn er auf jemandem herumtrampelt. Die Industrie muß einen Markt haben, und wenn Blut fließt. Öl ist dicker als Blut. Aber wegen einem Markt kann man keinen Krieg machen, das wäre leichtfertig, man muß ihn machen weil man eine Herrenrasse ist.“
Bertolt Brecht, ,,Flüchtlingsgespräche“, Kap. XVI, 1940/41.

Thilo Sarrazin, Reaktionär (noch) in der SPD, Ex-Finanzsenator Berlins und aktiver Bundesbank-Vorstand warnt vor dem Untergang Teutoniens. Empirische Aussagen über die Folgen der politisch über Jahrzehnte forcierten politischen, kulturellen und sozialen Degradierung von Migrantinnen und Migranten nutzt er demoagogisch, um von grundlegenden gesellschaftlichen Entwicklungsfragen abzulenken. Denn weil der Unmut in der Bevölkerung über Bankenprofite und Managerbereicherung auf Kosten sozialer Errungenschaften wächst und das Engagement für die soziale und kulturelle Einschränkung von Ausbeutung, Konkurrenz und Rotstiftpolitik zunimmt, geht dem biederen Hassprediger - stellvertretend für seine Kollegen in die Vorstandsetagen der Banken - der Allerwerteste auf Grundeis.

In schlechter deutscher Tradition sollen also Sündenböcke mit allen Übeln (Bildungsdefizit, soziale Verunsicherung, Armut und geistiges Elend, Klein- und Gewaltkriminalität etc.) der krisenhaften Marktgesellschaft bepackt in die Wüste geschickt werden. Was aber ist der Einbruch in eine Bank, gegen die Gründung einer Bank? (Bertolt Brecht)

Mit Rassismus und Ausländerverunglimpfung wird an die mutmaßliche Bequemlichkeit der Mehrheit appelliert, scheinbar einfache Lösungen (Ausländer raus!), dem dauerhaften Engagement für ein besseres Leben aller vorzuziehen. Nicht zuletzt dient dabei die scheinwissenschaftliche Verunglimpfung von Mitmenschen als Voraussetzung, den internationalen Krieg wie die alltägliche Konkurrenz legitim erscheinen zu lassen.

Drum sind aus denselben Dumpfheiten die größten Verbrechen und Verheerungen der Menschheitsgeschichte hervorgegangen. Mit der Befreiung von der Nazi-Herrschaft 1945 und einem allmählich (nicht ohne studentische Mitwirkung) einsetzenden Prozeß der Aufklärung war daraus zu lernen, daß die ökonomischen und politischen Eliten, sich der Aufhetzung von wesentlich Gleichen gegeneinander bedienen, um vom allgemeinen Desaster ihrer Herrschaft abzulenken. Die Lehre ist, daß internationale Solidarität und Eintreten für soziale Gleichheit statt Profitherrschaft die einzige vernünftige Handlungsweise ist. Es geht also eigentlich um die ursächliche Lösung der gesellschaftlichen Probleme: um Arbeit und Bildung für alle, um Frieden und die Überwindung von Klima- und Hungerkatastrophen, um Gesundheit und soziale Sicherung durch vernünftige Kooperation weltweit. Neben der Einsicht, daß die eigentlichen Fronten zwischen Oben und Unten und nicht zwischen Döner und Hackbraten verlaufen ist der nächste Schritt die Verbreitung sozialer Vernunft durch die Vernünftigen. Opposition ist kontinuierliche Aufklärung.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Montag, den 6. September 2010, http://www.harte--zeiten.de/artikel_975.html