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Aufwendige Inszenierung

oder Der Schrecken des Banalen am Beispiel des Tamm-Museums

„Die Seefahrt hat uns Wohlstand und Wachstum gebracht, aber auch Angst, Bedrohung und Unglück. Dieses Museum zeigt auch die Mystik, den Erfolg und die Gefahren der Seefahrt - deshalb ist die Ausstellung keine Schönfärberei. [...] Ich möchte heute ganz besonders Peter Tamm und seiner Mutter danken, den vielen Helfern, Mitarbeitern und Stiftern dieses tollen Projektes.“

Ole von Beust, Eröffnungsrede für das „Tamm-Museum“, 25. Juni 2008.

Wenn echte Reaktionäre wahre Gefühle („Stolz“, „Heimatliebe“, „romantische Faszination“) bekennen, meinen sie deutsche „Weltgeltung“ und denken dabei heimlich an „Mutti“. Die Propaganda für Krieg und Ausbeutung hat nicht immer den Krieg und selten offen Ausbeutung zum Thema. Die pseudo-kritische Aufreihung von „Licht und Schatten der Geschichte“ ist erkenntnisfreie Banalisierung der historischen Gewordenheit, ihrer Alternativen, der Menschen, ihrer Arbeit, Leiden und Kämpfe, der barbarischen Ausschreitungen und befreiender Bewegungen. – Keine „Schönfärberei“?

Am vergangenen Mittwoch versammelte sich in diesem Geiste ein Panoptikum aus 800 Honoratioren der Hansestadt, ihrem Geldadel, Militärs sowie dem Bundespräsidenten Horst Köhler („Deutschland“) zur Eröffnung des „Internationalen Maritimen Museums Hamburg“ und zum Dank an seinen Stifter Peter Tamm. Dieser ehemalige Manager des Springer-Konzerns (60 Jahre „Wir sind wieder wer“) hat sein umfangreiches seefahrtsbezogenes Sammelsurium aus Militär und Handel der Stadt geschenkt. Er hat ein eher distanziertes Verhältnis zu Demokratie und Frieden. In zahlreichen Interviews bekannte er, daß „jede Demokratie einen Führer [braucht]“ und: „So schön der Totalfrieden wäre, ich glaube, er ist wider die Natur“. Auch habe „die linke Ecke maßgeblich Mitschuld“ an den Kriegen des 20. Jahrhunderts, was der geschichtsrevisionistischen These nahekommt, Hitler habe den Zweiten Weltkrieg nur als präventiven Krieg gegen die „bolschewistische Gefahr“ begonnen. Der paternalistische Geschäftsmann von der Elbchausse entpuppt sich als autoritärer und chauvinistischer Befürworter von Rüstung und großen Geschäften auf Kosten der Weltbevölkerung, ohne Sinn für notwendige geschichtliche Lehren. Hakenkreuzdevotionalien wie die – unkommentiert ausgestellten – Großadmiralsstäbe der NS-Marineoberkommandierenden Raeder und v. Doenitz haben sich nicht in die Sammlung „verirrt“. Die „Faszination der Technik“ und die „Seefahrtsromantik“ sind die gefühlvollen Topoi der Ausstellung, die zur Verdunklung gesellschaftlicher Konflikte, historischer Entwicklungsoptionen und mehrheitlicher sozialer Interessen verklärend zur Schau gestellt werden. Geschichte ist in dieser Betrachtungsweise einzig die Geschichte der Herrschenden – in Ewigkeit, Amen.

Jedes Unbehagen gegen solche Mythen ist richtig; sie verdienen geistige und politische Gegnerschaft. Denn die Irrationalität ist System: Je weniger Brot, desto mehr Nasch und Gaukelwerk. Ole, der abgründige Bürgermeister aller Hamburger (und Hamburgerinnen), ist das örtliche Aushängeschild dieser marktdevoten Politik. Die demagogische Behauptung ist, daß sozialer Wohlstand auch zukünftig nur mit Krieg zu machen sei. Gegenwärtige Kriege, wie der in Afghanistan, sollen demnach als alternativlos akzeptiert werden.

Von dieser Seite sind also niemals Besserungen zu erwarten. Die Emanzipation des Menschen kann nur die rationale, gemeinsame Angelegenheit einer engagierten Mehrheit sein. Frieden und Gleichheit, Demokratie und sozialer Fortschritt sind keine Illusionen, sondern Inhalt und Perspektive einer eingreifenden, vernunftgeleiteten Handlungsweise. Wissenschaften und Künste haben hierin ihren einzig erfreulichen Sinn.