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Das Prinzip Öffentlichkeit ist der Weg zur begründeten Meinungsbildung:
Studentische Interessenvertretung ist Emanzipation

Grundrechte

„Die Arbeiterschaft muß durch einen vernünftigen Sozialismus aus ihrem Zustand niedrigster Sklaverei befreit werden. Das Truggebilde der autarken Wirtschaft muß in Europa verschwinden. Jedes Volk, jeder einzelne hat ein Recht auf die Güter der Welt!
Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten, das sind die Grundlagen des neuen Europa.
Unterstützt die Widerstandsbewegung, verbreitet die Flugblätter!“

Fünftes Flugblatt der studentischen Widerstandsgruppe „Weißen Rose“, Januar 1943.

Die bewußte Negation des historischen Extrems orientiert für eine Gesellschaft, in der alle kooperativ über ihre gemeinsamen Geschicke verfügen. Der wesentliche gesellschaftliche Entwicklungsauftrag des Grundgesetzes [1] ist deshalb, daß die Würde des Menschen unantastbar sein soll. Die Gegenwart ist von dieser Perspektive deutlich unterscheidbar. Frieden und die Freiheit von materieller und geistiger Armut sowie die demokratischen Entwicklung eines solidarischen Gemeinwesens benötigen fortgesetzt couragiertes Eingreifen mündiger Menschen. Wer nicht zufriedenzustellen ist, lebt am besten. Begründete Unzufriedenheit erweitert das Bewußtsein. Von Zensur jeglicher Art ist deshalb abzusehen.

Aufklärung

„Der Charakter der französischen Revolution war aber zu jeder Zeit bedingt von dem moralischen Zustande des Volks und besonders von seiner politischen Bildung. Vor dem ersten Ausbruch der Revolution in Frankreich gab es dort zwar schon fertige Zivilisation, aber doch nur in den höheren Ständen und hie und da im Mittelstand; die unteren Klassen waren geistig verwahrlos und durch den engherzigsten Despotismus von jenem edlen Emporstreben abgehalten. Was aber gar die politische Bildung betrifft, so fehlte sie nicht nur jenen unteren, sondern auch den oberen Klassen.“
Heinrich Heine, Einleitung zu „Kahldorf über den Adel“, 1831.

Die Qualität einer Gesellschaft ist nicht unabhängig von ihrer verallgemeinerten Bildungsqualität. Unter äußeren Bedrängungen wächst die Bereitschaft zu unvernünftigen Handlungen, wenn die Ursachen der Drangsal nicht vertiefend, kritisch und solidarisch reflektiert werden.
Wahrheit, Erkenntnis und Humanität sind untrennbar und als Einheit der Verallgemeinerung würdig. Die Wirklichkeit ist am leichtesten zu verbessern, wenn sie klar erkannt und trefflich benannt ist. Aufklärung ist die gemeinschaftlich lernende Überwindung unzulänglicher Bedingungen. Wer nicht hinnimmt, befreit.

Verfaßte Studierendenschaft

Studientische Interessenvertretung ist emanzipatorisch oder sie ist nicht.
Das heißt erstens, die Grundrechte gegen jeden Angriff zu verteidigen. Es bedeutet zweitens unverbrüchlich gegen jede Kriegsvorbereitung, -gefahr und -führung zu streiten. Drittens im Bewußtsein historischer Erfahrungen für die menschliche Egalität gegen jede antivernünftige und ressentimentgeladene Tendenz einzutreten und sich insbesondere gegen die unheilige Verbindung der Interessen großer Unternehmen mit (autoritärem) staatlichem Handeln wider die Bevölkerungsmehrheit zu wenden. Daraus ergibt sich viertens der Auftrag, die sozialen, politischen und wissenschaftlich-kulturellen Belange der Studierenden als verallgemeinerbare Interessen in den tagespolitischen Auseinandersetzungen kämpferisch und im Bündnis mit anderen fortschrittlichen gesellschaftlichen Akteuren zu vertreten.
Durch diese Herkunft, diesen Inhalt und diesen Zweck ist studentische Interessenvertretung entstanden, gegenwärtig und gegen äußere Anfeindungen institutionalisiert entwicklungsfähig.
Bayern und Baden-Württemberg haben keine Verfaßte Studierendenschaft. Auch das ist zu ändern.

[1Art. 1 „Würde“, Art. 2 „Persönliche Freiheitsrechte“, Art. 3 „Gleichheit“, Art. 5 „Freiheit der Meinung, Wissenschaft und Künste“, Art. 8 „Versammlungsfreiheit“, Art. 9 „Koalitionsfreiheit“, Art. 14 „Eigentum, Erbrecht, Enteignung“, Art. 15 „Vergesellschaftung“.

Veröffentlicht am Donnerstag, den 21. Juni 2007, http://www.harte--zeiten.de/dokument_619.html