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Ein Standort ist ein Standort ist ein ...

Die Pläne des Rechtsblocks für die Hochschulen
FDP (nicht im Bilde) sorgt für 1.000 liberale Akzente, Schill sorgt für Sicherheit und von Beust hat auch mal studiert

Wozu Bildung? Diese alte Frage wird im Koalitionsvertrag von CDU, Schill-Partei und FDP kurz und bündig beantwortet: Hamburg werde sein Potential zu einem der führenden Wissenschafts- und Forschungsstandorte ausbauen und so seine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sichern - so werden die Vereinbarungen zum Hochschulbereich programmatisch eingeleitet. Bezeichnend für dieses Verständnis von Wissenschaft ist, dass im Zusammenhang mit dem Nutzen von Wissenschaft die Geisteswissenschaften im Koalitionsvertrag keine Erwähnung finden. Es geht also um wirtschaftliche Verwertbarkeit. Gesellschaftliche Nützlichkeit dagegen, die Entwicklung von Lösungen für globale Probleme, gar Kritik an zeitgenössischer Wirtschaftsweise als Ursache dieser Probleme - all das hat in den wissenschaftspolitischen Vorstellungen des Rechtsblocks - wen wundert's - keinen Platz. Statt dessen wird den Hochschulen ein noch weniger demokratisches Management zugedacht, den Studierenden noch weiter gehende Restriktionen und ein rigides Prüfungskorsett. Im Folgenden kommentieren wir die wesentlichen hochschulpolitischen Koalitionsvereinbarungen aus studentischer Sicht.

Studium als Besten-Auslese

"Masse" oder "Elite" - in diese Kategorien sollen die Studierenden zukünftig eingepasst werden. Der von den Koalitionären als Wissenschaftssenator auserkorene Unternehmensberater Jörg Dräger ist schon als Personalie Programm. Schließlich hat Dräger sich in den vergangenen Jahren als Geschäftsführer des Northern Institute of Technology (NIT) in Harburg vehement für das Prinzip "Besten-Auslese" stark gemacht. Übrigens sehr zur Freude der privatwirtschaftlichen Geldgeber des NIT. Im Koalitionsvertrag ist bereits in der Präambel die Vorgabe für jegliche Senatspolitik formuliert: Eine besondere Förderung werde denjenigen zuteil, die "leistungsstark und willig sind", wohingegen man diejenigen, die "es [was immer mit "es" gemeint ist, d. Red.] nicht schaffen, Hilfestellung" anbietet. Also keine bestmöglichen Entwicklungsmöglichkeiten für alle, sondern Förderung für die Creme und Krücken für die "Versager". Schlechte Aussichten für Durchschnittsmenschen. Das Deutschland im internationalen Vergleich nicht zu viele, sondern zu wenige wissenschaftlich Qualifizierte hat, es also weniger auf Eliten- als auf Massenbildung ankäme, scheint beim Zusammenschreiben des Koalitionsvertrages nicht bekannt gewesen zu sein.

Weil Auslese gar nicht früh genug beginnen könne, sollen sich die Hochschulen künftig ihre Studienanfänger aussuchen können. Dazu soll der Staatsvertrag über die Zentrale Vergabestelle von Studienplätzen (ZVS) gekündigt werden. Konsequenz wäre, dass Bewerber mit "mittelmäßigen" Voraussetzungen (nach welchen Bewertungskriterien auch immer) in besonders gefragten Studiengängen zukünftig wohl keine Chance mehr hätten, in Hamburg zu studieren.

Studium am "Neuen Markt"

Zudem soll es verpflichtend in allen Fächern gestufte Abschlüsse geben - und zwar Bachelor- als Schmalspurstudium und Master als vollwertiger Abschluss. Damit einher geht die strikte Orientierung auf Berufsbilder, also Entwissenschaftlichung und Einschränkung der Wahlfreiheit. Was nämlich im Koalitionsvertrag scheinbar studierendenfreundlich als "klarere Strukturierung des Studiums" daherkommt, bedeutet tatsächlich eine Einschränkung der Studierfreiheit durch strengere Vorgaben über Zwischenprüfungen, Verkürzung der zugestandenen Studienzeit, Reduzierung des Lehrplans auf "das Wesentliche". Wobei das Wesentliche entweder im unmittelbar prüfungsrelevanten (Pauk-)wissen bestehen soll, oder in dem, was aktuell auf dem Arbeitsmarkt gefordert ist. Dabei bleibt allerdings vertiefendes wissenschaftliches Arbeiten auf der Strecke.

Bist Du nicht willig, so wird es nicht billig

Ja! Endlich erhält Hamburg Anschluss an die wissenschaftliche Weltspitze - mit Studiengebühren bei Überschreitung der Regelstudienzeit (das sind meist 9 Semester) um 4 Semester. Derzeit lassen weder die Studienbedingungen, noch die wirtschaftliche Lage der meisten Studierenden ein Studium in der Regelstudienzeit zu. Knapp 75 Prozent der Hamburger Studierenden jobben neben dem Studium oder, je nachdem, studieren neben dem Job. Von der Strafgebühr sind also nicht wenige Studierende bedroht. Angeblich sollen die Studiengebühren erst eingeführt werden, wenn die Hochschulen eine Einhaltung der Regelstudienzeit aufgrund der Studienbedingungen gewährleisten können. Zur Verbesserung der sozialen Situation von Studierenden meint man nichts tun zu müssen. Dafür sollen die Studiengebühren auch nur 1.000,- DM pro Semester betragen. Das ist die von der FDP geforderte liberale Handschrift: 1.000 kann sich jeder merken - das stärkt die Eigenständigkeit des Individuums.

No Politics, please!

Spätestens seit dem 11. September wissen wir, dass die Hochschulen Brutstätten des Terrorismus sind. Nein, nein, das ist ein geschmackloser Witz. Aber, Herr Schill meint das durchaus erst. So erklärte er in einem TV-Talk, die Verfassten Studierendenschaften (mit AStA und SP) hätten sich in den vergangen Jahren zu Freiräumen für Linksextreme aller Art entwickelt, hier müsse künftig mit polizeilicher Überwachung Gefahrenabwehr betrieben werden. Von Beust hat sich dazu noch nicht erklärt, aber man weiß ja, dass die CDU-Studierenden vom RCDS in der Vergangenheit zu den konsequenten Klägern gegen politisch agierende Asten gehörten...

Dass eine rechte Landesregierung Vorwände sucht, sich die politische Interessenvertretung der Studierenden vom Hals zu schaffen, ist nicht überraschend. Denn schließlich ist die Verfasste Studierendenschaft mit Fachschaftsräten, Gremien und AStA eine Struktur, die es allen Studierenden ermöglicht, sich kritisch, organisiert und wirkungsvoll für Demokratie und sozialen Fortschritt einzusetzen - und damit Schill und Konsorten kräftig querzuschießen. Diese Möglichkeit werden wir uns nicht nehmen lassen!

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Sonntag, den 21. Oktober 2001, http://www.harte--zeiten.de/artikel_56.html