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Das ,,Oben“ - ,,Unten“ - Ding

Oder: Wer beginnt?

,,Im bisherigen Sozialstaat gehe es »längst nicht mehr um die notwendige Absicherung existentieller Lebensrisiken, sondern vor allem um die Absicherung von sozialem Status«. Dies habe »ganz erheblich dazu beigetragen, daß gesellschaftlicher Aufstiegswille gelähmt worden ist«.“
FOCUS, CDU-Politik Kauder und von Beust wollen sozialen Aufstieg erleichtern, 22.12.2006.

,,Wer weniger Geld hat als wir, dem fehlen die Materiellen Voraussetzungen, das Leben voll zu genießen. Sicherlich schlummern auch im Arbeiter unerlöste kulturelle Bestrebungen, aber Sie müssen nicht vergessen, Herr Ministerialrat, die Tiefergestellten wollen vielleicht, aber sie können nicht. Ich bitte Sie, was haben denn diese Leute für Interessen!“
Kurt Tucholsky, ,,Ausflug zu den reichen Leuten“, 1927.

Aufstieg
Angst
Abstieg

Angst ist ein Mittel der Politik. Drohung mit dem Verlust von Arbeitsplätzen (Standort!), des eigenen Arbeitsplatzes, der gesellschaftlichen Integration und Drohung mit der kulturellen Zuweisung des ,,Schmarotzertums“ erzeugen sie. Der Verzicht auf soziale und kulturelle Verbesserungen soll allen antrainiert werden. Arbeit sei Arbeit, wie sinnleer und schädigend sie auch sein mag. Darüber ist der gesellschaftliche Unmut erheblich gewachsen.

Der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust und der Fraktionsvorsitzende der Unionsparteien, Volker Kauder, haben sich dagegen zum Jahreswechsel im Magazin FOCUS ,,programmatisch“ für einen Systemwechsel vom Sozialstaat zur ,,Aufstiegsgesellschaft“ ausgesprochen: Der ohnehin stark relativierte Sozialstaat hemme die Leistungsbereitschaft der Einzelnen und ruiniere zudem ,,die“ Wirtschaft. Daher rühre die Krise. Wer Sicherheit und gesellschaftliche Bedeutung wolle, habe ,,Leistung und Anstrengung“ zu beweisen. (So werden auch Studiengebühren begründet.) Gemeint und gewollt ist das Andienen an die Mächtigen und ihre Chef-Angestellten in Wirtschaft und Politik, der dafür smart ausgefahrene Ellenbogen, die kühle Kalkulation auf den eigenen, naja, Vorteil. (Dem Bundes-Koalitionspartner SPD ist diese Konkretion eine Spur zu hart - ,,Aufstieg für alle!“)

Ist die negative Absicht dieser Propaganda durchschaut, dann ist aber unmittelbar einleuchtend, daß in diesem Kampf alle verlieren. Denn wo von ,,Aufstieg“ die Rede ist, wird das gesellschaftliche Grundübel, die prinzipielle und tendenziell verschärfte soziale Ungleichheit akzeptiert und forciert: eine Minderheit besitzt den gesellschaftlichen Reichtum, die überwiegende Mehrheit lebt permanent sozial gefährdet. In dieser Mehrheit soll ,,frei“ aufgestiegen und gefallen (,,Lebensrisiken“) werden dürfen, am besten international. Zivilisatorischer Fortschritt ist nicht geplant, eher Ur-Wald-Niveau mit technischem Schnickschnack. - Danke.

,,Aufstieg“ - das ist als Hoffnung verpackte Angstmache, ist vereinzeltes Durchboxen statt gemeinsam realisierte Verbesserung, ist eine (riskante) Ausflucht und keine Lösung für die gesellschaftlichen und darum auch persönlichen Probleme.
Bei steigenden Gewinnen, auch 2006 erneuerter Exportweltmeisterschaft ,,Deutschlands“ und irren Vorstandsgehältern in den Konzernen, gleichzeitig Massenerwerbslosigkeit, Millionen Sozialhilfeempfängern, privaten Schulden, kargen öffentlichen Haushalten und verfallender öffentlicher Einrichtungen ist dringend ein politischer Kurs- und Systemwechsel zu erkämpfen, und zwar:
Sozialer und kultureller Fortschritt, der vor der Vergesellschaftung des privaten Besitzes Weniger an gesellschaftlich erarbeiteten Reichtum nicht halt macht, eine Weltfriedensordnung mit ausschließlich ziviler Produktion, Wissenschaft und internationaler Politik, die positive Angleichung des Lebensniveaus der armen an das der reichen Länder, der Ausbau aller öffentlichen sozialen und kulturellen Einrichtungen, besonders der Bildung, Kultur und Gesundheitsversorgung, die Entwicklung einer partizipatorischen Massendemokratie die alle gesellschaftlichen Bereiche, auch die Wirtschaft, erfaßt, für alle Arbeit, die nützlich und anregend ist. Diese Forderungen und Ansprüche sollten neu durchdacht und durch politische Aktivitäten gesellschaftlich nachdrücklich ver-
treten werden. Die Studierendenschaft ist ein guter Ort der Verständigung, Kritik und Selbstorganisierung. Solidarität ist das A und O.

V.i.S.d.P.: Niels Kreller, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Donnerstag, den 28. Dezember 2006, http://www.harte--zeiten.de/artikel_531.html