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Widerstehen aus Menschlichkeit

Zum Jahrestag der Reichspogromnacht 1938

Am 9. November 1938 wüteten die Nazis in kühl geplanter Brutalität gegen Menschen aus dem jüdischen Kulturkreis: Geschäfte, Kultureinrichtungen und Synagogen wurden zerstört, Tausende Menschen gedemütigt und bedroht, gefoltert und in Gefängnisse und Konzentrationslager verschleppt. Viele wurden in der Reichspogromnacht ermordet.

Die antisemitische Mordnacht des 9. November 1938 war eine entscheidende Station des Vernichtungszugs, der in Holocaust und Zweitem Weltkrieg seinen grauenvollen Ausgang fand.
Mit lügenhaften Versprechungen und permanenter Einschüchterung, mit fanatischer Vernunftfeindschaft und offenem Terror nutzten die Nazis die demokratischen und sozialen Unzulänglichkeiten der Weimarer Republik und die Zögerlichkeiten ihrer Verteidiger brachial aus, um die Diktatur durchzusetzen, und bereiteten in der Folge den Weltkrieg vor. 60 Millionen Menschen, darunter 6 Millionen Juden, mußten sterben, um einer skrupellosen Elite und ihren verkommenen Helfershelfern Reichtum, Macht und Herrschaft zu sichern und auszubauen.
Am 8. Mai 1945 wurde die Welt von dieser Geißel befreit.
Die Universität Hamburg und ihre Studierendenschaft, die sich in der Mehrheit ihrer Mitglieder mitschuldig gemacht haben, sehen sich heute in der Verantwortung, die braune Brut nie wieder wirksam werden zu lassen.

Das Studierendenparlament der Universität Hamburg sieht daher das aggressive Auftreten und Wiedererstarken rechtsextremer Kräfte, insbesondere der NPD, mit allergrößter Sorge. Der Wahrheit und Humanität verpflichtet, verbinden wir unser Gedenken an die Opfer der Verfolgung mit dem Engagement gegen antisemitische und rassistische, kriegsverherrlichende und nationalistische Demagogie. Eingedenk der wechselvollen Geschichte der Universität und der Studierendenschaft leisten wir unseren Beitrag, Frieden, Demokratie und soziale Gerechtigkeit zu sichern und zu mehren. Die kritische Geschichtsbetrachtung ist dabei unerläßlich, um die uneingelösten Hoffnungen der historischen Befreiung auf Frieden und Gerechtigkeit zu verwirklichen und die rohen Zwecke heutiger Rechtsextremer zu entschleiern und zurückzuweisen.

Schon früh hatten elitäre Professoren, demokratiefeindliche Studenten und eine autoritätshörige Universitätsverwaltung die Schmähung und Vertreibung jüdischer Menschen und fortschrittlicher Geister aus den akademischen Institutionen zugelassen und betrieben. Die Geschichte lehrt: Aus Wegschauen erwuchsen Mitläufertum und Mittäterschaft. Auch die apolitische Illusion der „reinen“ Wissenschaft ebnete den Weg für nazistische Indienstnahme.
Um so mehr ist der optimistische Aufklärungswille aufrechter Universitätsmitglieder Leitlinie von aktueller Relevanz. Dafür stehen Persönlichkeiten wie der Humanist Ernst Cassirer, der Völkerrechtler Albrecht Mendelssohn Bartholdy, die sozialistische Erziehungswissenschaftlerin Anna Siemsen und das studentische Mitglied der Weißen Rose Margaretha Rothe. Mündigkeit aller Bürger, friedliche Verständigung weltweit und menschheitsgeschichtlicher Fortschritt bildeten den Impetus ihres Wirkens - und sind eine Herausforderung für uns Heutige, wissenschaftlich wie menschlich.

Mit der Benennung zentraler Hörsäle gedenkt die Universität Hamburg sichtbar ihrer NS-Verfolgten. Zudem bekräftigt das Studierendenparlament die von Konzil, Präsidium und AS vor 15 Jahren getroffene Entscheidung, den Entzug akademischer Titel aus „rassischen“ oder politischen Gründen zwischen 1933 und 1945 feierlich für nichtig zu erklären. Das SP regt beim Universitäts-Präsidium an, eine würdige Form der dauerhaften Bekanntmachung und Ehrung der verfolgten Universitätsmitglieder an zentraler Stelle vorzunehmen; dabei sollte die Nachbarschaft zur Bornplatzsynagoge und zur Moorweide einen zentralen Platz finden.

Veröffentlicht am Donnerstag, den 9. November 2006, http://www.harte--zeiten.de/dokument_502.html