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juso-hsg SP-Fraktion und Liste LINKS, Antrag an die Sitzung des Studierendenparlaments am 28.10.2004

Stellungnahme des Studierendenparlaments zum Entwurf eines Fakultätengesetzes durch den Senat der Freien- und Hansestadt Hamburg

Das Studierendenparlament möge befassen, beraten und beschließen:

Stellungnahme des Studierendenparlaments zum Entwurf eines Fakultätengesetzes durch den Senat der Freien- und Hansestadt Hamburg

"Es ist leichter, selbst hartherzige Menschen zu tränen zu rühren, als um Sympathie für Studenten zu werben oder Philister zu veranlassen, bei der Rettung alter Kulturdenkmäler zu helfen."
Peter Ustinov, "Dear Me", Erinnerungen, 1990, S. 350.

- Präambel -

Seit der Wiedereröffnung der Universität 1946 reflektieren ihre Mitglieder - ausgehend von der historischen Mitverantwortung der deutschen Hochschulen für die faschistischen Verbrechen und die Planung und Ermöglichung des Zweite Weltkrieges - fortgesetzt das ambivalente Verhältnis zwischen wissenschaftlicher Freiheit, gesellschaftlicher Verantwortung und wirtschaftlichen wie staatlichen Ansprüchen. Zivile Courage, demokratisches Engagement und wissenschaftliche Kooperation bilden seither den Ausgangspunkt vernünftiger Universitätsreform.
Seit den späten sechziger Jahren sind Transparenz und produktiver Meinungsstreit, gleichberechtigte Kooperation der wissenschaftlich Tätigen und soziale Offenheit entwicklungsleitende Maßstäbe der akademischen Kultur.
Die demokratische Beteiligung aller Universitätsmitglieder an der Bestimmung von Aufgaben, Inhalten und Formen von Bildung und Wissenschaft, die gemeinsame Reflektion gesellschaftlicher Herausforderungen in den Wissenschaften sowie die Freiheit von wirtschaftlichen Zwängen und staatlicher Reglementierung sollen diesen Grundkonflikt universitärer Entwicklung produktiv aufheben. Autonomie, bedarfgerechte Finanzierung der Hochschule und ihre demokratische Verfassung bilden hierfür notwendig eine Einheit.
Die Universität Hamburg sollte durch Wissenschaft, Lehre und Forschung wesentliche Beiträge zu der Hebung der sozialen und kulturellen Verhältnisse der Menschen leisten. Zur allgemein nutzbringenden Erweiterung der gewonnen Erkenntnisse aller in der Universität vereinten Wissenschaften muß an ihre humanistische Tradition angeknüpft werden. Nur so ist sie Universität für die Bildung mündiger Menschen und für eine friedliche, sozial gerechte und demokratische Gesellschaft.
Dieser Aufgabenbestimmung und ihrer verantwortungsbewußten Wahrnehmung widerspricht die Politik der Behörde für Wissenschaft und Gesundheit fortwährend: Durch die fiskalischen und administrativen Eingriffe der Wissenschaftsbehörde werden Möglichkeiten demokratischer Beteiligung, der Erhalt und Ausbau gesellschaftlich
relevanter Fächer sowie die soziale Offenheit der Universität massiv beeinträchtigt. Realen gesellschaftlichen Erfordernissen abgewandt wird die Reduzierung der sprach-, geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächer verlangt, das Studienplatzangebot vermindert und dirigistisch auf die wissenschaftliche Vereinseitigung der Universität zu kurzfristig wirtschaftlich verwertbarer Forschung und Ausbildung hingewirkt. Maßgebend hierfür ist die Absicht, alle gesellschaftlichen Bereiche möglichst eng an die sogenannten Wirtschafts-Cluster (Hafen/Logistik, Life-Sience, Welthandel/China, Medien, Nanotechnologie, Luftfahrt) des Senatskonzeptes "Wachsende Stadt" anzubinden. Die kulturell, sozial, ökonomisch und ökologisch destruktiven Folgen dieser Politik werden mißachtet.
Der vorgelegte Entwurf für eine Neuordnung des Hamburgischen Hochschulgesetzes ("Fakultätsgesetz"-Entwurf) zielt in diesem Rahmen auf die Separierung und Normierung der Universitätsmitglieder und -gliederungen, um die nach vernünftigen Maßstäben nicht einsichtige Anpassung von Lehre, Studium, Forschung und Selbstverwaltung an partikulare ökonomische Ansprüche mittels staatlicher Eingriffe durchzusetzen. Intransparente Auswahl beim Hochschulzugang, die weitreichende Absage an gruppendemokratische Selbstverwaltung, die Trennung von Forschung, Lehre, Studium und Selbstverwaltung und die Aufwertung der Position der Fakultätsdekane dienen diesem Zweck:

Deshalb wendet sich das Studierendenparlament entschieden gegen die geplante Neuordnung des Hamburgischen Hochschulgesetzes:

1. Staatlicher Dirigismus zur Durchsetzung partikularer ökonomischer Ansprüche

Zielsetzung des Entwurfes zur Neuordnung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (Entwurf "Fakultätengesetz") ist die administrativ durchgesetzte Neuausrichtung der Universität auf die kurzfristige Erfüllung wirtschaftlicher Verwertungsansprüche. Dies kommt beispielhaft im § 89, Abs. 2 und 3 zum Ausdruck, durch den das Präsidium verpflichtet werden soll, staatliche Vorgaben zur inhaltlichen Ausrichtung der Universität, ihrer Wissenschaften und Verwaltung nach Maßgabe von "Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit" durchzusetzen.
Der allgemeine gesellschaftliche Nutzen der Wissenschaften ist hingegen der Universität und ihren Mitgliedern Aufgabe und Verpflichtung. Dieser gesellschaftliche Nutzen bestimmt sich wesentlich in kulturellen, sozialen und demokratischen Ansprüchen wissenschaftlicher Praxis. Die geplante Vereinseitigung der Universität steht gesellschaftlichen Erfordernissen entgegen.

2. Trennung von Forschung, Lehre, Studium und Selbstverwaltung:

In dein Entwurf des "Fakultätengesetzes" soll der Universität in ihren Fakultäten eine Organisation vorgeschrieben werden, in der Lehre und Studium, Forschung und Entwicklung sowie die Verwaltung und fachliche Organisation als jeweils eigenständige "Strukturelemente" getrennt nebeneinander gestellt werden sollen (§ 92, Abs. 2).
Die Einheit von Forschung, Lehre und Studium ist konstitutiv für die Universität Hamburg. In ihrem Leitbild betont die Universität ihren Beitrag für die Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft. Hierfür knüpft sie an die humanistische Tradition ihrer Gründung an. Der Zerschlagung der Einheit von Forschung, Lehre, Studium und Selbstverwaltung treten wir vehement entgegen.

3. Restriktion und Intransparenz in der Auswahl beim Hochschulzugang:

Die im Entwurf zum "Fakultätengesetz" eingeführten Regelungen zur Hochschulzulassung schränken den Hochschulzugang weiter ein. Die den Fakultäten überlassene Entscheidung über zulassungseinschränkende Auswahlverfahren (§ 91, Abs. 2, 2), die Ermöglichung der willkürlichen und politisch sanktionierenden Immatrikulationsverweigerung (§ 41, Abs. 2) sowie die intransparente Einführung von "Frühstudierenden" (§ 40, Abs. 2) widersprechen den Positionen der Universität, die sich die Bildung mündiger Menschen und die Verwirklichung des Rechts auf wissenschaftliche Bildung zur Aufgabe gemacht hat. Sie zielen insbesondere auf die restriktive Sanktionierung der Studierwilligen. Bereits die bestehenden Regelungen des Hamburgischen Hochschulgesetzes schränken die soziale Offenheit der Hochschulen ein, eine weitere Verschärfung lehnt die das Studierendenparlament ab.

4. Absage an die gruppendemokratische Selbstverwaltung der Universität:

Der Entwurf des Senates beinhaltet eine massive Einschränkung der demokratischen Selbstverwaltung der Universität und will in § 92, Abs. 1 die Einrichtung gruppendemokratischer Selbstverwaltungsgremien unterbinden.
Zentraler Moment der Hochschulreform der späten 60er Jahre war die Demokratisierung der Hochschulen durch eine - eingeschränkt realisierte - gleichberechtigte Kooperation aller Hochschulmitglieder in der Durchsetzung der selbstverwalteten Gruppenuniversität. Die Universität gründet ihre Tätigkeit auf die demokratische Beteiligung und Kooperation ihrer Mitglieder. Das Studierendenparlament weist das angestrebte Verbot demokratischer und gleichberechtigter Mitwirkung aller Hochschulmitglieder strikt zurück.

5. "Aufwertung" der Fakultäten als "eigenständige" Einheiten und Entdemokratisierung:

Der Entwurf für ein "Fakultätsgesetz" beinhaltet wesentlich die Gründung und "Aufwertung" der Fakultäten als "eigenständige" Einheiten in der Universität. Angekündigt wurde bereits die Möglichkeit der vollständigen Herauslösung der einzelnen Fakultäten aus dem Gesamtzusammenhang der Universität. Die weitgehende Separierung der Universität soll durch eine systematische Entdemokratisierung durchgesetzt werden: In den zentralen §§ 89 - 92 soll die Stärkung der die Fakultät leitenden Dekanate, das Verbot der gruppendemokratischen Selbstverwaltung, die Anordnung nur einer Organisationsebene sowie die vorgeschriebene Aufgabenverteilung innerhalb der Universität und ihrer Fakultäten durchgesetzt werden. Wesentlich ist hierfür die Entmachtung des zentralen universitären Selbstverwaltungsgremiums, des Akademischen Senates (AS). Bisher insbesondere im AS gemeinsam bestimmte grundlegende Entscheidungen der Wissenschaftsentwicklung und ihrer Organisation (bspw. in der Erarbeitung einer Grundordnung) sollen den jeweiligen Fakultäten bzw. ihren Leitungen übertragen werden müssen (§§ 14, 66, 79, 84, 85, 89, 90, 91, 92, 101).
Das Studierendenparlament sieht dagegen eine entscheidende Grundlage für die Entwicklung und Vermittlung wissenschaftlicher Methoden, Ergebnisse und Qualifikationen in der interdisziplinären Kooperation der Hochschulmitglieder und - organe. Die Zusammenarbeit ihrer Mitglieder beruht auf Information und Transparenz, demokratischer Beteiligung und dem Willen zur Konfliktlösung. Dies wird wesentlich über die demokratischen Gremien der akademischen Selbstverwaltung realisiert. Der AS hat besondere Verantwortung für den Gesamtzusammenhang der Universität. Das Studierendenparlament weist die geplante Separierung und Entdemokratisierung zurück.

6. Zwangsweise Einführung der BA/MA-Abschlüsse:

In § 54, Abs. 1 will der Senat die flächendeckende Einführung des neuen Studiensystems zur "bindenden Verpflichtung" machen. Hartnäckig wird weiterhin die Vergleichbarkeit von Studienabschlüssen und die internationale Mobilität als Begründung herangezogen. Die Universität hat sich verpflichtet, Lehre und Studium im Hinblick auf Entwicklungen in Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur, Veränderungen in der Berufswelt sowie Folgen von Wissenschaft und Technik zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Die Durchlässigkeit, Sozialverträglichkeit, Transparenz und gesellschaftliche Verantwortung sind Grundsätze der Gestaltung von Studiengängen. Die flächendeckende Zwangseinführung des BA/MA-Studiensystems steht diesen Ansprüchen entgegen. Angesichts der aktuellen Auseinandersetzungen sieht das Studierendenparlament Vorschlägen für die gleichzeitige Existenz der bestehenden und neuen Abschlüsse sowie die BA/MA-Organisation als integriertes "Hamburger Modell" ohne Selektionsmechanismen bestätigt.

Veröffentlicht am Donnerstag, den 28. Oktober 2004, http://www.harte--zeiten.de/dokument_456.html