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Wir über uns (zur SP-Wahl 2006)

Reform ist praktizierte Aufklärung

"Wenn wir aus der Geschichte lernen wollen, so sehen wir, daß alle bisherigen
Klassenkämpfe nur in der Weise verlaufen sind, daß die aufstrebende Klasse im
Schoße der alten Gesellschaft durch kleine Fortschritte, gesetzliche Reformen, allmählich
immer mehr erstarkte und wuchs, bis sie sich stark genug fühlte, die
alten Fesseln abzustreifen, durch eine soziale und politische Katastrophe."

Rosa Luxemburg, Rede auf dem Hannoveraner Parteitag der Sozialdemokratie, 1899.

"Ich habe keine besondere Begabung, ich bin nur leidenschaftlich neugierig."
Albert Einstein in einem Brief an Carl Seelig, 1952.

Das letzte, zähe Hindernis der solidarischen Entfaltung aller Menschen ist der Kapitalismus.

Die alltäglichen Drangsale und Unfreundlichkeiten haben hier ihren überwindbaren Ursprung. So wie es ist, kann es nicht bleiben.

Die geistigen und materiellen Reichtümer der Menschheit können mehrfach menschliche Grundbedürfnisse allgemein befriedigen; aber politisch wird Mangel geschaffen.

Die hohe Entwicklung der Produktivität ermöglicht gleiche und sinnreiche Arbeit und Muße für alle. Die soziale Ungleichheit hindert dies. Kultur, Wissenschaft und Bildung für alle können - befreit vom Druck der Profitermöglichung - ein Vielfaches an Erkenntnis und Kooperation für weiteren gesellschaftlichen Fortschritt und persönliche Entfaltung erbringen. Frieden ist durch alltagspraktische und politisch-systematische Kriegsablehnung möglich; Geschäfte mit Militär und Rüstung stehen dem entgegen. Das gemeinsame Verstehen dieser Widersprüche ermöglicht ihre positive Beantwortung; Geschichte wird von Menschen gemacht.

Die Studierendenschaft kann hier auf die Kämpfe und Errungenschaften vorangegangener Etappen aufbauen: Spätestens mit der atomar bedrohlichen Eskalierung des Kalten Krieges stand die zivile Lösung gesellschaftlicher Konflikte auf der historischen Tagesordnung. Die in dieser Einsicht erkämpften weitreichenden sozialen Reformen und Demokratisierungen des gesellschaftlichen Lebens brachten höhere Löhne, betriebliche Mitbestimmung, erweiterte Sozialsysteme, gebührenfreie Bildung bis in die Hochschule und gesellschaftskritische Wissenschaftsinhalte. Die Eindämmung imperialer Kriege und die soziale Annäherung des Südens an den Norden waren gewollt und möglich. Kunst, Musik und Wissenschaften gaben optimistische Impulse. Diese positive Tendenz hatte mit dem Zerfall des sozialistischen Versuchs im Osten ein dumpfes Ende.

Seit Mitte der Neunziger Jahre greift merkantiles Treiben bedrängend in Politik, Kultur, Wissenschaft und den (un-)sozialen Alltag. Das allgegenwärtige Primat der Konkurrenz schafft Not und Angst, verzerrt die Züge und beschränkt die Absichten.

"Jeder Psychologe weiß, daß es hart und schwer ist, die Schwelle des Widerstands zu überwinden, die die Dressur in die Seele eines Individuums gelegt hat."
Kurt Tucholsky, "Über wirkungsvollen Pazifismus", 1927.

Dagegen schafft das gemeinsame Lernen aus historischen Erfahrungen eine enorme Reichweite gesellschaftlicher Entwicklungsaussichten und ermöglicht den Ausgang aus der verordneten Unmittelbarkeit der Alltagsbewältigung.

Die kooperative, wissenschaftliche Aneignung gesellschaftlicher Zusammenhänge, das vertiefende Erkennen der Ursachen und Verursacher des neoliberalen Verwertungsdiktats und der entwicklungsfreudige Bezug auf die Mitmenschen ermöglicht das lachende Verwerfen alltäglicher Konventionen der Unterordnung.

So werden gemeinsam gewonnene Einsichten geschichtsmächtig. Die progressive Veränderung der Gesellschaft verbindet mit anderen und ermöglicht die Überwindung der gesellschaftlichen Konkurrenz. Mit dieser Richtung ist engagierte Interessenvertretung erfreulich nützlich.

Neugier ist die Lust an solidarischer Gesellschaftsveränderung.

"Erst eine bewußte Organisation der gesellschaftlichen Produktion, in der planmäßig produziert und verteilt wird, kann die Menschen ebenso in gesellschaftlicher Beziehung aus der übrigen Tierwelt herausheben, wie dies die Produktion überhaupt für die Menschen in spezifischer Beziehung getan hat."
Friedrich Engels, Dialektik der Natur - Einleitung, 1886, MEW 20.

Veröffentlicht am Montag, den 1. August 2005, http://www.harte--zeiten.de/artikel_304.html