Menü | HomePublikationenBAE!: harte zeiten und Liste LINKS › Flugblatt von Liste LINKS und juso-hsg vom

In Wirklichkeit

Zu den "Leitlinien für die Entwicklung der Hamburger Hochschulen"

"Me-ti lehrte: Umwälzungen finden in Sackgassen statt."
(Bertolt Brecht. Me-ti. Buch der Wendungen)

Ende der Simulation von Demokratie. Schluss mit "konstruktivem Dialog" und "Einbeziehung der Öffentlichkeit". Der Schillsenat mit seinem gefälligkeitsheischenden Jungpolitiker und Senator für Wissenschaft und Forschung (!), Jörg Dräger, kommt offen zur Sache: Die am 17. Juni veröffentlichten "Leitlinien für die Entwicklung der Hamburger Hochschulen" sind Senatsdiktat! Sie sollen die weitgehende Umsetzung der Empfehlungen der Dohnanyi-Kommission verordnen. Die akademisch betitelten Gutachter sind oder waren vorwiegend Lobbyisten des Kapitals, für Bertelsmann, Schering AG oder Arbeitgeberverband.

Im Auftrag des Senats und unter erpreßter Zustimmung der Hochschulpräsidenten empfahlen sie: Zerschlagung der Hochschulen in "Schools", Auflösung der gewerkschaftlich orientierten HWP, Streichung von 25 Prozent der Geistes- und Kulturwissenschaften, Senkung der Studienanfängerzahlen, Entwissenschaftlichung des Studiums durch strikte Arbeitsmarktorientierung und vorgebliche Internationalisierung mit restriktivem Bachelor/Master-System, Spaltung der Absolventen in Masse und Elite und Ausrichtung der Forschung an den Anforderungen der regionalen Wirtschaft. Studiengebühren, Abwicklung autonomer, demokratischer Entscheidungsfindung in den Hochschulen und finanzielle Erpressung durch "leistungs-", also hörigkeitsorientierte Bezahlung selbstredend inbegriffen.

Die zentrale Kritik der Hochschulen oder gar alternative Reformvorstellungen werden durch die aktuellen "Leitlinien" nicht berücksichtigt. Nachdem der Senator erfolglos um Akzeptanz für seine Politik in fast allen Fächergruppen und Hochschulen warb, besteht er nun (mittels erneuter Erpressungen durch Finanzierungsvorbehalte, Verzögerungen von Berufungen etc. - ahnt er doch, dass dies seine letzte Amtszeit sein könnte) strikt auf der vollständigen Umsetzung der Vorschläge der Dohnanyi-Kommission, denn: Die Hochschulen seien "zentraler Bestandteil" zur Etablierung des Senats-Leitbildes "Wachsende Stadt - Metropole Hamburg".

Die "Wachsende Stadt" ist ein Masterplan zur Durchsetzung des Profit-Diktats gegen die Bevölkerung der gerühmten hanseatischen Metropole. Kultur-, Wirtschafts-, Wohnungsbau- und Bildungs-, insbesondere Hochschulpolitik, sollen ihren Beitrag leisten: "Die Einkommens- und Beschäftigungschancen einer Region sind in hohem Maße von der Humankapitalausstattung abhängig. [...] Ziel muss sein, Netto-Importeur von qualifizierten Arbeitskräften zu werden." Angestrebt ist die Erhöhung der Zahl steuerpflichtiger Einwohner durch gezielte Abwerbung sogenannter high potentials aus der Republik und der ganzen Welt.

Auswirkungen auf strukturschwache Regionen sind egal, denn mit denen ist kein Handel zu treiben. Internationale Eliten rein, aber Flüchtlinge raus: "Die Zahl der Rückführungen hat sich erhöht und soll sich auch zukünftig deutlich erhöhen", heißt es in der "Wachsenden Stadt". Was interessiert Pfeffersäcke jene Seite des Krieges, mit der kein Geldverdienen ist? Außerdem: innenstadtnahe Wohnanlagen für Kleinfamilien mit hohem Einkommen (ihre Steuern füllen das Staatssäckel), Einschränkung sozialen Wohnens zur Vertreibung älterer, ärmerer, niedrigqualifizierter oder schlicht ausbeutungsunwilliger Menschen, Privatisierung von Krankenhäusern und Wasserversorgung zur Profitrealisierung, mehr Polizei zum Draufhauen sowie Riesen-Events statt demokratischer, beteiligungsorientierter kultureller Praxis. Zwecks "Befriedung" werden Bevölkerungsteile abgeschrieben und zu subventionierter Zwangsarbeit verdonnert: "Hohe Arbeitslosigkeit ist ein negativer Standortfaktor. ... In einer Übergangsphase wäre es aus sozialen und ökonomischen Gründen sinnvoll, dazu die gegenwärtige ,Arbeitslosengeneration' auch mit Hilfe massiver Lohnkostenzuschüsse auf sogenannte Einfacharbeitsplätze zu integrieren." Die Liste zur geplanten Zerstörung erkämpfter sozialer und kultureller Errungenschaften ist lang. Menschen werden zur beliebig verschiebbaren amorphen Masse - für den 'Standort' heißt es: Qualifizieren, Abwerben, Befrieden und Vertreiben.

"Für diese Zukunftsaufgabe können die Hamburger Hochschulen wichtige Leistungsträger und zugleich Infrastrukturfaktor sein und durch die Generierung und Vermittlung von neuem Wissen zum Erfolg der Metropolstrategie beitragen", begründet der Senat seine Leitentscheidungen. Er bedürfte zur Durchsetzung seiner Politik der tatkräftigen Unterstützung der Hochschulmitglieder. Die Universität aber formuliert am 30. Januar dieses Jahres für ihre Grundordnung: "Im Bewusstsein ihrer wechselvollen und widersprüchlichen Geschichte stellt sich die Universität Hamburg in die Tradition demokratischen Engagements und humanistischer Aufklärung. Wissenschaftliche Kooperation, demokratische Entscheidungsfindung, und allgemeiner gesellschaftlicher Nutzen der Wissenschaften sind der Universität und ihren Mitgliedern Aufgabe und Verpflichtung."

Die Verwirklichung dieses Maßstabes verdient das Engagement Aller. Zustimmung zur Unterordnung muss nicht gegeben werden. Dann steckt der Senat in einer Sackgasse. Und in Sackgassen ...

Dokumentiert: Beschluß des Akademischen Senats vom 3.7.2003

V.i.S.d.P.: Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: juso-hochschulgruppe & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
und Liste LINKS - Offene AusländerInnenliste . Linke Liste . andere Aktive
Veröffentlicht am Mittwoch, den 2. Juli 2003, http://www.harte--zeiten.de/artikel_283.html