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Bildung für Alle ist die Aufgabe Aller!

Gegen die Zerstörung der Bildungsreformen

,,Es ist leichter, selbst hartherzige Menschen zu Tränen zu rühren, als um Sympathie für Studenten zu werben oder Philister zu veranlassen, bei der Rettung alter Kulturdenkmäler zu helfen.“
(Peter Ustinov, ,,Dear Me“, Erinnerungen, 2004, S. 350.)

Seit Anfang der 1970er Jahre wird an deutschen Hochschulen gebührenfrei studiert; das erste Mal seit dem Mittelalter und der langen Geschichte der Ordinarienuniversität. Zwar stellte sich die Hamburger Universität schon durch den positiven historischen Einschnitt von 1945 in die Tradition humanistischer Aufklärung und knüpfte damit an den Widerstand der Weißen Rose und die Tätigkeit zahlreicher humanistischer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Weimarer Zeit an, die durch den Faschismus gebrochen wurde. Die eindeutige Überwindung der starren Ordinarienuniversität gelang erst mit der Studentenbewegung von 1968. Diese erkämpfte die soziale Öffnung der Hochschulen mit BAföG und Gebührenfreiheit, demokratische Mitbestimmung und eine problemkritische Orientierung in den Wissenschaften. Friedensbewegung, Gewerkschaften und linke Parteien erkämpften maßgeblichen gesellschaftlichen Fortschritt: Betriebliche Mitbestimmung, das grundgesetzliche Verbot von Angriffskriegen, die Entspannungspolitik und Lohnsteigerungen wurden beispielsweise in dieser Zeit erwirkt. Die soziale Öffnung der Hochschulen war ein Teil dieser Entwicklung und damit ein Beitrag zur Demokratisierung der Bundesrepublik.

Erst seit Mitte der 1990er Jahre wird von neo-konservativer Seite die Neueinführung von Studiengebühren wieder offensiv gefordert. Gerichtet ist sie gegen den kritischen Gesellschaftsbezug der Wissenschaften und gegen das Engagement vieler Studierender in den Gremien der akademischen und studentischen Selbstverwaltung für die Weiterentwicklung der positiven Ansprüche von 1945 und 1968. Darum bilden die soziale Auslese und die Disziplinierung der Studierenden eine Einheit: Sie seien Konsumenten vorgefertigter Inhalte und nicht demokratisch gleichberechtigte Mitglieder der Hochschulen; nur wer zahlt, der zählt. Jeder sonst senke demütig sein Haupt, denn er schmarotze am Gemeinwohl und überhaupt: Wer den eigenwilligen Blick über die Grenzen einer unwissenschaftlichen ,,Berufs“-Ausbildung hinaus wagt, soll mit Strafgebühren gebändigt werden. Als gesellschaftliche Norm gilt das Einzel-Interesse der privaten Ökonomie an benutzbaren Arbeitskräften. Deshalb formiert sich bundesweit dagegen nicht allein studentischer Widerstand; die Frage der Gebührenpflichtigkeit des Hochschulstudiums ist schwer umkämpft.

Die Universität Hamburg vertritt seit Jahren durch ihre zentralen Gremien (Konzil, Großer Senat, Akademischer Senat) die Ablehnung von Studiengebühren. Im Mai 2003 hat der erste Rechtssenat dementgegen mit seiner Novelle des Hamburgischen Hochschulgesetzes die gesetzliche Wiedereinführung von Studiengebühren (insbesondere für längere Zeit Studierende) erreicht. ,,Das Wirken für ein gebührenfreies Studium als Voraussetzung zur Bildung mündiger Menschen, zur Verwirklichung des Rechts auf wissenschaftliche Bildung und für den chancengleichen Zugang zu Bildung und Wissenschaft ist der Universität Aufgabe und Verpflichtung“, beschloß dagegen der Akademische Senat im Dezember 2003. In Einheit mit den studentischen Protesten gelang es den linken Studierendenvertretern im Akademischen Senat darüber hinaus, die Universität zu bewegen, die Erhebung der Strafgebühren bis nach der Neuwahl des politischen Senats im Frühjahr 2004 zu verzögern - mit Aussicht auf eine baldige Gesetzesänderung nach einem Regierungswechsel. Als dieser nicht gelang, hat der Akademische Senat auf Initiative der Studierenden gegen den Kurs der Wissenschaftsbehörde auf eine möglichst ,,soziale, transparente und gerechte“ Durchführung der Gebührenerhebung gedrungen, so daß bis heute knapp 3000 von 7000 vermeintlich gebührenpflichtigen Studierenden befreit werden konnten.

Gebührenfreies Studium, soziale Absicherung, bewußt-kooperatives Lernen, kritischen Gesellschaftsbezug und demokratische Beteiligung aller müssen politisch erkämpft werden. Organisierte studentische Bewegung als Teil gesellschaftlicher Opposition und eine unbeirrte Anti-Dräger-Politik der Universität sind dafür wesentliche Elemente. ,,Wissenschafts“-Senator Jörg Dräger gilt bundesweit als Vorreiter neoliberaler Hochschulpolitik; gerade hier in Hamburg kann daher ein Durchbruch für eine Tendenzwende erreicht werden, wenn der politische Senat mit der Zurichtung der Hochschulen an dem Widerstand der Universität politisch scheitert. Und bis dahin lassen sich mit dieser Perspektive weiter und besser Bedingungen schaffen, der Drägerschen Absicht der Vertreibung aller unbraven Studierenden von der Universität die Wirkung zu nehmen.

Geschichte wird gemacht! Und zwar von mündigen Menschen.

V.i.S.d.P.: Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, c/o Studierendenparlament, VMP 5, 20146 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg
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Veröffentlicht am Freitag, den 7. Januar 2005, http://www.harte--zeiten.de/artikel_249.html