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Offen und wirklich

Zum gegenwärtigen Stand der Studienreform

„Die an den Untertanen meistern wollen, wollen die Fixsterne um die Erde drehen, bloß damit die Erde ruhe.“ (166)

Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft K, 1793-1796.

„Bologna“ ist gescheitert. Vorgeblich diente die Zweiteilung des europäischen Studiensystems in Bachelor/Master der „Internationalisierung“, sollte den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, die Orientierung im Studium verbessern und die gesellschaftliche Relevanz wissenschaftlicher (Aus-)Bildung erhöhen. Das Gegenteil ist der Fall: Vorrangig sind Verängstigung und Verdrängung allgemeinbildender Anteile aus dem Studium der Fall, ist die europäische Massenerwerbslosigkeit nicht geringer geworden, sind Bachelor-Abschlüsse tariflich „weniger wert“ und so weiter…
Das liegt durchaus im Sinne der Erfinder. Diverse wirtschaftsnahe „Think Tanks“ bedrängten Ende der 1990er Jahre die europäischen Regierungen, angesichts des Mehrbedarfs an akademischen Fachkräften und politisch verkleinerter öffentlicher Haushalte eine einseitige Arbeitsmarktorientierung der Hochschulausbildung zu forcieren.
Aber wissenschaftliche Welterkenntnis und humane Veränderung sind unter dem Diktat einer
tauschwertorientierten Ausbildung kaum zu verwirklichen. Die positive Lernbewegung „Wir erkennen die Welt und verändern sie nach gemeinsamen Bedürfnissen zum allgemeinen Wohl“ wird in einen Anpassungsprozeß deformiert. Die „äußere“ Welt sei der globale Wettbewerb, für den es sich „individuell“ zu optimieren gelte. Daraus folgt: Verdinglichung und Vereinzelung.
Der Anpassung an einen weltweiten „Wettbewerb“ steht die sinnvolle Problemlösung für Frieden, Nachhaltigkeit, Demokratie, Gerechtigkeit und kulturelle Entfaltung – wissenschaftlich, politisch und alltagspraktisch – entgegen. Menschlich ist: in Gesellschaft, mit Gemeinsinn und Geschichtsbewußtsein forschen, erkennen, lernen, arbeiten und gestalten für ein dauerhaft würdiges Leben aller. Für die Wiedergewinnung wissenschaftlicher Bildung muß deshalb „Bologna“ wirklich überwunden werden. Dazu gehört:
— Die Stärkung allgemeinbildender Anteile für alle Studierenden,
— die Entwicklung von projektorientierten, fachüberschreitenden Lernformen, in denen egalitär und mit kritischem Weltbezug Wissenschaft als „learning by doing“ gelingt,
— die Beseitigung aller Faktoren, die offene Artikulation, Erprobung, Diskussion und übergreifendes Engagement der Universitätsmitglieder behindern,
— dafür die Abschaffung aller Fristen, die weitgehende Reduktion von Prüfungen, die Entwicklung neuer Prüfungsformen“, die Ermöglichung großzügiger Wiederholungsprüfungen.
Eine Rahmenprüfungsordnung soll als Zwischenschritt eine entsprechende gesamtuniversitäre Koordination erleichtern.
Mit dieser Konzeption kämpfen wir deshalb für die bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung der Hochschulen, respektive für mehr Demokratie.
Ein Anfang ist gemacht.