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Engagierte Wissenschaft
Kampfdrohnen weltweit ächten

„Krisen und Konflikte können jederzeit kurzfristig und unvorhergesehen auftreten und ein schnelles Handeln auch über große Distanzen erforderlich machen. ... Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung. Die Erschließung, Sicherung von und der Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten werden weltweit neu geordnet.“

Bundesminister der Verteidigung, „Verteidigungspolitische Richtlinien: Nationale Interessen wahren - Internationale Verantwortung übernehmen - Sicherheit gemeinsam gestalten“, 27.05.2011.

Die Friedensbewegung sammelt Unterschriften für den „Appell: Keine Kampfdrohnen!“, dessen Forderungen an Bundesregierung und Bundestag darauf gerichtet sind, „den Irrweg der Anschaffung und Produktion bewaffneter Drohnen sowie die diesbezügliche Forschung und Entwicklung aufzugeben und sich für ein weltweites Verbot und völkerrechtliche Ächtung dieser Waffen einzusetzen.“ Mitte September hatten bereits 10.000 Menschen den Appell unterstützt. Unter dem Druck der kritischen Öffentlichkeit vertagte die Bundesregierung die Entscheidung über die Anschaffung bewaffneter Drohnen nach die Bundestagswahl. Konsequenzen müssen nun durchgesetzt werden.

Die Friedensbewegung erfährt dabei Unterstützung aus der Friedensforschung. In der Stellungnahme zum jährlichen Friedensgutachten der vier großen deutschen Friedensforschungsinstitute warnen die Forscher vor einer neuen Rüstungsspirale: „Deutschland muß sich jetzt für ein internationales Verbot engagieren - ist die Aufrüstung von Kampfdrohnen erst einmal in vollem Gange, kann es dafür zu spät sein.“

Sicherheitspolitischen Hardlinern entgegnen die Friedensforscher: „Es ist noch nicht lange her, seit selbsternannte Realisten Atomwaffen für unverzichtbar erklärten und Kritiker als Idealisten abtaten. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet: Aus Angst vor ungehemmter Proliferation [Weiterverbreitung] fordern ebendiese Realisten heute die weltweite Abschaffung der Nuklearwaffen. Und für Landminen und Streumunition kamen Verbotskonventionen zustande, obwohl nicht alle Staaten von Anfang an mitmachten.“

Der Einsatz von Kampfdrohnen untergräbt das Völkerrecht, das auf dem Gewaltverbot zwischen den Staaten fußt und in dem sich die Staaten zur Zusammenarbeit zwecks Realisierung der Menschenrechte verpflichtet haben. Denn Kampfdrohnen sind Angriffswaffen, mit ihnen werden unerklärte Kriege in souveränen Staaten geführt, werden wehrlose Menschen hinterrücks und distanziert umgebracht. Drohnen sollen entgegen der gewachsenen Kriegsablehnung in der Bevölkerung der NATO-Staaten die völkerrechtswidrigen Kriege um Rohstoffe, Absatzmärkte und Handelswege (s.o.) weiter führbar machen, indem die Kriegführung der öffentlichen Wahrnehmung und Kontrolle entzogen wird und „eigene“ Tote vermieden werden.

In welchem Ausmaß sich die Drohnenkriegführung gegen die Zivilbevölkerung richtet, dokumentierten Studenten und Lehrende aus Stanford und New York mit der Studie „Living under Drones“ („Das Leben unter Drohnen“): Dort, wo die USA in Pakistan den Drohnenkrieg führen, verkümmern mit dem sozialen und kulturellen Leben die Menschen. In den Worten des Sprechers der englischen Kampagne „Reprieve“ (engl. Begnadigung), Clive Stafford Smith: „Der Alltag bricht zusammen: Kinder sind zu verängstigt, um zur Schule zu gehen, Erwachsene meiden aus Angst Hochzeiten, Beerdigungen, Geschäftstreffen und alle Gelegenheiten, bei denen sich Menschen in Gruppen zusammenfinden.“ Die Bevölkerung leidet unter manifesten Angststörungen, Helfer schrecken zurück, seitdem sie häufig in Zweitschlägen selbst angegriffen wurden. Der High Court von Peshawar hat im Mai 2013 die Angriffe als grobe Verletzung der UN-Charta und der Menschenrechte verurteilt. Drohnen sind also mitnichten „ethisch neutral“, wie der Kriegsminister Thomas de Maiziere dreist behauptet, sie negieren vielmehr jede Ethik, d.h. jede vernunftgemäße, verallgemeinerbare Grundlage menschlichen Handelns.

Auf der ganzen Welt engagieren sich Friedensaktivisten, Wissenschaftler, Juristen, Mediziner, Journalisten und kritische Parlamentarier für eine völkerrechtlich bindende Ächtung von Kampfdrohnen. In der internationalen Solidarität liegt die Möglichkeit, das Verbot durchzusetzen. Es ist Teil des Engagements für Abrüstung, Entspannungspolitik und Völkerverständigung als Grundlage weltweit ziviler Entwicklung und Zusammenarbeit. Das führt allerorten zu besseren Lebensbedingungen.

V.i.S.d.P.: Golnar Sepehrnia, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Sonntag, den 6. Oktober 2013, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1221.html