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Solidarität

statt Germanisierung

,,Wir sind die Wachstumslokomotive in Europa.“
Wolfgang Schäuble (CDU) in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt, 22.11.2011.

,,Die besseren Geister wissen, daß das wirklich Neue in der Welt, dem zu dienen der lebendige Geist berufen ist, etwas ganz anderes ist, nämlich die soziale Demokratie und ein Humanismus, der, statt in mutlosem Relativismus steckenzubleiben, wieder den Mut hat zur Unterscheidung von Gut und Böse.“
Thomas Mann, ,,Schicksal und Aufgabe“, 1944.

In allen Ecken Europas wächst die Bewegung für Demokratie und Menschenwürde. Zynismus ist abseitig. Darum wird die Wirtschaftpolitik der Bundesrepublik Deutschland allerorten und bis in die Regierungen der Nachbarländer hinein negativ beurteilt.

Um die von der EU angekündigten ,,Rettungs“-Milliarden zu erhalten wird das Parlament in Athen unter Anleitung der Bundeskanzlerin erpreßt, der Beseitigung des griechischen Sozialstaats zustimmen. Von den Kürzungen ausgenommen sein sollen nur die Rüstungskäufe Griechenlands (vorwiegend bei deutschen Konzernen). Das Land wird unter Druck gesetzt, für über 50 Mrd. Euro Staatsbetriebe (also Arbeitsplätze, Wohlfahrt, Demokratie) zu verscherbeln. Wirtschaftsminister Rösler (FDP) reiste eigens dafür mit einer Delegation deutscher Unternehmensvertreter dorthin. So saturiert sich deutsches Kapital im Schlußverkauf. Ähnlich dreist wird die Hegemonialstellung der ,,deutschen Wirtschaft“ auch in Spanien, Portugal oder Italien ausgebaut.

Die Rolle Deutschlands in Europa ist aktuell problematisch: Diese ,,Wachstumslokomotive“ zieht nämlich keinen Zug, sondern pflügt das Gleisbett um. Oder anders: Ein soziales, wirtschaftlich kooperatives, demokratisches und friedliches Europa ist etwas ganz anders als der neoliberale Bürgerkrieg, den die Bundesregierung schürt.

Daß ,,deutsche Wirtschaftskraft“ Unheil bedeutet, gilt ebenso im Inland. Denn gleichzeitig mit der Verschärfung der europäischen Krise werden in den Parlamenten in Berlin und Hamburg Kürzungs-Haushalte zu Lasten der überwiegenden Mehrheit verhandelt und beschlossen. Die ,,Leistung“ der deutschen Finanzwirtschaft, der Großindustrie und ihrer politischen Administration ist also ein perspektivloser, asozialer und national bornierter Überlegenheitswahn, aber kein Beitrag zu einer vernünftigen gesellschaftlichen Entwicklung.

Also: Stolz?

Wenn davon die Rede ist, sollten alle innehalten. Historisch gewonnene Erkenntnisse seien orientierend lebendig gemacht: Der wirkliche Reichtum der Gesellschaft ist die materielle und geistige Produktivität kooperativ arbeitender Menschen. Ihn für alle zu bergen gelingt durch internationale Solidarität. Diese Einsicht ist verbreitet und wird weiterverbreitet.

Die Beseitigung der Bankenherrschaft, die Beendigung von Kriegen und Rüstungspolitik, statt dessen echte Umverteilung für sozialen Fortschritt und demokratische Kultur sowie umfassende Demokratisierung aller Lebensbereiche sind das eigentliche Gebot der Stunde.

Die mit der ,,Bologna-Reform“ verbundene Fixierung des Lernens auf die ,,Berufsorientierung“ für ein kaputtes System ist angesichts dessen ein schwerwiegendes Entwicklungshindernis. Zur Überwindung der Krise muß also auch im universitären Alltag solidarisch Sinnvolles geschaffen werden. Dafür ist miteinander reden - mit Blick fürs große ganze und die Nächsten - oft schon die halbe Miete. Schließlich sollte Universität etwas mit Erkenntnis und Verbesserung der Welt zu tun haben. Darum findet, wer sucht, nicht nur weltweit couragierte Vorbilder dafür, sondern auch hier die Möglichkeiten dazu.

V.i.S.d.P.: Golnar Sepehrnia, Schützenstr. 57, 22761 Hamburg.
Herausgegeben von: harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive an der Universität Hamburg.
Veröffentlicht am Donnerstag, den 24. November 2011, http://www.harte--zeiten.de/artikel_1072.html